Mit 91 ist sie am Smartphone geübter als so mancher Mitt-Fünfziger
Maria Schimpfhauser, die seit fünf Jahren die Tagespflege in Waldmünchen besucht, ist Jahrgang 1930 und ein Phänomen. Sie schreibt ihrer Enkeltochter bei WhatsApp, hört ihre Lieblingsmusik von früher bei Youtube, kommuniziert über Signal und informiert sich über Nachrichten-Apps und Digital-Abos zum Weltgeschehen.
Von Frank Betthausen
Waldmünchen. Schon wieder vibriert das Smartphone. Die nächste Push-Nachricht! Maria Schimpfhauser nimmt ihr Handy in die Hand und setzt eine konzentrierte Miene auf. „Ach, da muss ich da oben wieder...!“, sagt sie und liest interessiert. „Vorerst keine Lockdowns in Bayern“, lautet die Schlagzeile, die eben auf ihrem Display aufgeploppt ist. Schimpfhauser legt das Telefon zurück auf den Tisch im Aufenthaltsraum der Waldmünchner Tagespflege. „Ich komm' scho' zurecht. Ich hab' ja so viel da drin“, sagt die 91-Jährige, die seit fünf Jahren die Einrichtung im BRK-Senioren-Wohn- und Pflegeheim im Breitenwiesweg besucht, über das „Kastl“ vor sich.
WhatsApp – über die Plattform kommuniziert sie mit einer ihrer Enkeltöchter –, Signal, ein Digital-Abo der Süddeutschen, Nachrichten der Tagesschau oder eine ZDF-App: Schimpfhauser ist ein Phänomen! Jahrgang 1930! Und doch ist sie medial aufgeschlossener als so mancher Mitt-Fünfziger.
"Sie haben mir den Auftrag gegeben...!"
Wie denn die technische Ausstattung mittlerweile so sei im Gebäude und auf den Stationen, will sie von Heimleiter Stefan Paa wissen, der an diesem Vormittag bei ihr und den anderen Tagesgästen vorbeischaut. Der BRK-Mitarbeiter lacht und antwortet: „Frau Schimpfhauser, Sie haben mir damals den Auftrag gegeben, im ganzen Haus WLAN zu installieren. Vorher kommen Sie nicht zu uns, haben Sie gesagt!“
Nach einer kurzen Pause, in der die 91-Jährige gar nicht so recht glauben kann, dass das Thema nur für sie von Bedeutung ist, schiebt Paa anerkennend nach: „Es sind nicht so viele Menschen so fit auf diesem Gebiet wie Sie.“
Mittendrin im Fachgespräch
Spricht's und ist mittendrin im Fachgespräch mit der rüstigen Seniorin, die aus Holzkirchen in Oberbayern stammt. Früher habe sie ein Android-Handy gehabt, erzählt sie. Doch ihre Tochter, zu der sie vor fünf Jahren gezogen ist, habe sie zum iPhone gebracht. „Mit dem anderen habe ich mich besser ausgekannt“, erklärt sie.
Ihr Wissen verfeinerte sie im Mehrgenerationenhaus in Waldmünchen, wo sie nach ihrem Umzug in die Oberpfalz regelmäßig die Schulungsreihe „Senioren digital“ besuchte. „Ich habe mir aber selber auch viel angeschaut und habe so vieles begriffen“, sagt sie zufrieden.
Wobei sich die Dame mit den schlohweißen Haaren von der digitalen Flut nicht mitreißen lässt und sich genau überlegt, welche Angebote sie nutzt. „Ich bin sehr, sehr informiert über das Weltgeschehen“, lässt sie ihr Nachrichten-Interesse durchblicken. Podcasts und Filme dagegen – das sei ihr etwas zu viel. Und auch der Sinn und Zweck der Status-Meldungen ihrer Enkeltochter bei WhatsApp hat sich ihr noch nicht ganz erschlossen.
Als Kind reparierte sie die Nähmaschine ihrer Mutter
Dafür liebt sie Musik! „Wann wird's mal wieder richtig Sommer?“, das Lied von Rudi Carrell, schießt ihr an diesem trüben Wintertag durch den Kopf, als das Thema zur Sprache kommt. „Wie bringe ich das jetzt wieder her?“, überlegt sie und lacht. „Da brauche ich jetzt meine Brille.“ Ja, sie habe viele alte Lieder auf dem Handy, erzählt sie. Schimpfhauser hört ihre Lieblingsstücke abends zu Hause im Bett oder spielt sie in der Tagespflege den BRK-Mitarbeitern und den anderen Gästen vor.
Technikbegeistert war die 91-Jährige, die selbstverständlich auch ein iPad hat – „Das nehme ich aber seltener her“ –, ihr Leben lang. „Ich konnte immer alles machen, was praktisch ist“, sagt sie und denkt an ihre Kindheit zurück, in der sie ihrer Mutter schon als kleines Mädchen regelmäßig die Nähmaschine reparierte. „Sie war schon immer interessiert und engagiert“, berichtet BRK-Teamleiterin Monika Nothaas.
Sie wollte Kindergärtnerin werden
Kindergärtnerin wollte die Holzkirchnerin ursprünglich werden. Doch Schimpfhausers Berufsweg nahm eine andere Richtung. Bei der Kreishandwerkerschaft startete sie nach dem Krieg als Bürogehilfinnen-Anlernling ins Arbeitsleben. Später war sie bei der Gewerkschaft und in der Firma ihres Schwagers und ihres Mannes tätig, mit dem sie sechs Jahrzehnte verheiratet war. Der Betrieb handelte mit Heizöl und Schmierstoffen. Mit 60 ging Schimpfhauser, die seit zehn Jahren Witwe ist, in den Ruhestand.
Neben ihrem Faible für Technik hatte die Oberbayerin schon immer eine ausgeprägte soziale Ader und ein großes Bewusstsein für die Natur. Die 91-Jährige war 2021 seit 40 Jahren Mitglied im Bund Naturschutz und bringt sich heuer genauso lang beim Landesbund für Vogelschutz ein. „Das ist mein Glaube – meine Natur!“, sagt sie und erinnert sich gerne an ihren blühenden Garten.
Als sich 2019 in Waldmünchen mit ihrer Tochter Doris Hillebrand an der Spitze ein Ortsverein der Grünen gründete, war sie mit 89 Jahren das älteste Neumitglied der Oberpfalz. Diese Besonderheit wäre eine Push-Nachricht auf jedes Handy wert gewesen! Maria Schimpfhauser wäre mit Sicherheit auf Empfang gewesen, um die Schlagzeile über sich zu lesen…