Senioren-WG: Wer möchte, darf sogar sein Haustier mitbringen
Seit einem Jahr gibt es in Willmering eine ganz besondere Wohngemeinschaft des BRK. Acht Menschen im Alter zwischen 60 und 95 Jahren haben dort das gute Gefühl, dass sie rund um die Uhr betreut werden. Ansonsten leben sie fast wie früher zu Hause. Vier Plätze sind aktuell noch frei.
Von Frank Betthausen
Willmering. Torte, Frühlingsblumen und ein Gläschen Hugo oder Saft: In der „Ambulant betreuten Wohngemeinschaft“ des BRK in Willmering ist Anfang März gefeiert worden. Mitarbeiter und Bewohner – aktuell sind es acht an der Zahl – stießen auf das einjährige Bestehen der Einrichtung an. Am 2. März 2020 hatte der BRK-Kreisverband Cham den Betrieb in der Schulstraße aufgenommen.
Seitdem leben dort Menschen im Alter zwischen derzeit knapp 60 und 95 Jahren zusammen – selbstbestimmt, aber doch rund um die Uhr betreut, wie in einer großen Familie und beinahe wie früher daheim. Jeder Bewohner hat sein eigenes Bad und ein selbst möbliertes Zimmer – alles in allem rund 28 Quadratmeter –, in das er sich jederzeit zurückziehen kann.
Fernsehecke, Garten, große Küche
Ansonsten gibt es eine Gemeinschaftsküche, einen Aufenthaltsbereich, eine Fernsehecke und einen Garten. Es wird geratscht, gelacht, gespielt, gebastelt und gekocht. Wer möchte, darf auf Zustimmung beim Einzug sogar seine Katze oder ein anderes Haustier mitbringen. Das Angebot des BRK in Willmering – aktuell sind vier Plätze frei – richtet sich an fittere Senioren, die ein wenig Unterstützung oder Hilfe im Alltag zu schätzen wissen und sich daheim möglicherweise alleine fühlen.
Auf das erste Jahr in Willmering blicken Leiterin Kathrina Böhme und ihre zwölf Mitarbeiter, darunter zehn festangestellte und zwei ehrenamtliche, einerseits mit großer Zufriedenheit und Freude zurück. Andererseits kam die Pandemie für das Team zur Unzeit. „Wir hatten zu Beginn sehr viele Anfragen und dachten, wir wären innerhalb kürzester Zeit voll belegt – doch dann kam Corona und bremste uns aus“, sagt Böhme.
Sie nahm bei vielen Kennenlern- und Infogesprächen vor allem die Angst unter den Mietinteressenten wahr, sie könnten in Coronazeiten von der Außenwelt abgeschnitten sein. Doch diese Bedenken zerstreut die Leiterin schnell. Unter Einhaltung der bekannten Hygiene- und Schutzvorschriften – seit Beginn der Pandemie gab es im Haus keinen einzigen positiven Fall – sind Besuche in der Schulstraße jederzeit möglich.
Besuch ist jederzeit möglich
Jeder Bewohner darf sogar, im Gegensatz zu den Pflegeheimen, in denen aktuell schärfere Regeln gelten, mehrmals pro Tag Gäste empfangen; allerdings immer nur eine Person gleichzeitig. „Das ist für uns ganz, ganz wichtig“, sagt Böhme. „Wir wollen nicht, dass unsere Leute vereinsamen.“ Lediglich während des ersten Lockdowns 2020 war die Wohngemeinschaft aus Sicherheitsgründen einige Zeit für Besucher gesperrt.
Generell beobachtet Böhme, dass es immer noch gewisse Vorbehalte gegen die Wohnform gibt, die das BRK seit einem Jahr in der Chamer Vorortgemeinde anbietet. Viele Menschen tun sich, wie sie erzählt, schwer, sich „bei der Quadratmeterzahl zu verkleinern“ und liebgewonnene Gegenstände, die lange zu ihrem Lebensalltag gehörten, aufzugeben. Dazu komme die Angst, mit dem Einzug die Eigenständigkeit zu verlieren. „Dabei ist das Gegenteil der Fall“, sagt Böhme, die als gelernte Krankenschwester vor rund zwei Jahren zum Bayerischen Roten Kreuz wechselte.
Ein Zimmer nach den eigenen Wünschen
Die Bewohner übernehmen ein komplett unmöbliertes Zimmer auf einem gemeinsamen Stockwerk und können den Raum nach ihren Wünschen einrichten – lediglich ein Pflegebett müssen sie anschaffen beziehungsweise mitbringen. Ansonsten ist die Wohngemeinschaft eine offene Einrichtung, die jeder nach seinen zeitlichen Vorstellungen betreten und verlassen kann. „Die Tür ist immer offen“, sagt Böhme, die gleichzeitig daran erinnert, dass die WG aus diesem Grund nicht für jedermann geeignet ist. „Menschen, die etwa durch eine Demenz den Drang haben, irgendwohin zu gehen, die also eine sogenannte Hinlauftendenz haben, kommen leider für unser Haus nicht infrage.“
Interessenten oder Angehörige sollten sich daher immer gut informieren, rät sie, zeigt aber auch auf, dass in der Einrichtung ein „super Zusammenleben“ herrscht. So passen die fitteren Bewohner nach ihren Schilderungen auf die Zimmernachbarn auf, die hilfsbedürftiger sind.
Das Personal ergänzt sich
Auch das Personal ergänzt sich, wie Böhme berichtet. Zu Pflegekräften, die aus der ambulanten Pflege kommen, gesellen sich Kolleginnen, die immer schon stationär im Einsatz waren. „Besonders schön bei uns ist“, sagt die Leiterin, „dass wir durch die Rund-um-die-Uhr-Betreuung besonders viel Zeit für die Bewohner haben. Man baut dadurch auch eine viel stärkere Beziehung zu den Menschen auf.“ Ein weiterer Punkt, den sie an der Arbeit in der Wohngemeinschaft sehr schätzt, ist das kreative Element. „Man kann sich wunderbar entfalten im Umgang mit den Bewohnern und viele eigene Ideen einbringen.“
Apropos einbringen: Was der Einrichtung in der Schulstraße im Moment ein wenig abgeht, sind die Herren der Schöpfung und ihre Ideen. In der WG lebt derzeit nur ein Mann – unter den sieben Damen ist er der Hahn im Korb. „Männer sind also sehr willkommen“, sagt Böhme, die unter der Telefonnummer 0176/10850015 jederzeit für Fragen zur Wohngemeinschaft zur Verfügung steht.
Die Kosten sind dreigeteilt
Die monatlichen Kosten für einen Platz in der Einrichtung, die sich im Erdgeschoss des 2020 von der Dankerl Bau GmbH eröffneten Wohn- und Gesundheitszentrums befindet, sind dreigeteilt. Sie schlüsseln sich auf in die Miete, die an die Projekt- und Baufirma aus Zifling-Bierl zu zahlen ist, in eine Betreuungspauschale an das BRK – sie ist für jeden Bewohner gleich hoch – und die Auslagen für die Haushaltskasse. Das Geld daraus wird für Einkäufe sowie Essen und Getränke verwendet. Über die Krankenkasse erhalten die Bewohner mit Pflegegrad eins bis fünf nach Antragstellung jeden Monat einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214 Euro. Das Geld wird auf das eigene Konto erstattet.
Besonders am Herzen liegt es der Leiterin und ihren Kolleginnen, die Mitglieder ihrer Wohngemeinschaft mit viel persönlicher Nähe durch ihren letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Wenn es so sein soll, bis zum allerletzten Tag. „Die Menschen dürfen hier sterben. Es muss keiner ausziehen“, sagt Kathrina Böhme.