Wenn die Hilfsbereitschaft die Helfer überfordert
Die Ereignisse in der Ukraine sorgen auch im Landkreis Cham für eine Welle der Solidarität. "Ich bin den Bürgern wirklich dankbar für die Unterstützung", sagt Tobias Muhr. Der BRK-Katastrophenschutzleiter verfolgt das Ziel, Sachspenden gezielt abzurufen und mit Bedarfslisten zu arbeiten. Er appelliert an die Menschen, mit dem Roten Kreuz vorab zu klären, welche Hilfsgüter gerade benötigt werden. Situationen, wie es sie in Furth im Wald durch die unkontrollierte Anlieferung von Tiertransportboxen gab, will er vermeiden.
Von Frank Betthausen
Furth im Wald. Das Thema ist hochsensibel – das ist Tobias Muhr bewusst. Der Katastrophenschutzleiter weiß genau, wie betroffen die Ereignisse in der Ukraine die Menschen machen. Und ihm ist bewusst, dass viele Bürger helfen möchten. Aber: Nicht immer ist die Hilfe die passende, das erleben Muhr und seine Aktiven regelmäßig. Das gilt für die Gegenstände, die gespendet werden sollen, genauso wie für den Zeitpunkt, zu dem sie abgegeben werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Tiertransportboxen…
Als jemand kürzlich mitbekam, dass die Ukrainer, die in Furth im Wald eintreffen, zum Teil ihre Haustiere aus der Heimat mitbringen, machte sehr schnell ein Aufruf mit Foto in den sozialen Medien die Runde, dass die Spezialkisten angeblich dringend am Bahnhof benötigt werden. Am Ende stapelten sich dort fast 30 der Behältnisse…
"Wir verlieren den Überblick"
Ein kleiner Teil, für den wirklich Bedarf war, blieb vor Ort. „Der Rest ist zurückgegangen“, sagt Muhr, der an die Bürger appelliert, mit dem BRK in Cham vorab telefonisch oder per Mail zu klären, welche Hilfsgüter gerade benötigt werden. „Wenn jemand etwas anbietet, sage ich dankbar Ja“, meint der Katastrophenschutzleiter. „Aber vielleicht nicht zu diesem Zeitpunkt.“
Womit dem BRK nach seinen Worten überhaupt nicht geholfen ist: Wenn Sachspenden „willkürlich“ am Bahnhof oder einer Notunterkunft, wie sie sich im Chamer Redemptoristenkloster befindet, abgegeben werden. „Das überfordert die Helferstrukturen, die gerade für anderes dringender benötigt werden, und wir verlieren den Überblick“, zeigt er auf. Gerade Kleiderspenden nach Größe zu sortieren und zu waschen, binde „wahnsinnig viel Personal und erfordere enorme räumliche Kapazitäten“.
Um die Übersicht zu behalten, werden beim BRK-Kreisverband Bedarfslisten geführt – etwa zu Windeln, Babynahrung oder Maxi-Cosis, von denen in der vergangenen Woche über Spenden fünf Stück in einem Further Geschäft beschafft worden waren. Die Bundespolizei hatte sie für ihre Fahrzeuge benötigt. „Geldspenden“, verdeutlicht Tobias Muhr in diesem Zusammenhang, „sind hier oft die bessere Alternative, weil sie flexibel und ganz nach Bedarf eingesetzt werden können.“
"Es läuft sehr, sehr gut"
Ansonsten arbeiten er und seine Kollegen bewusst sehr zielgerichtet mit Firmen, Privatleuten und Initiativen zusammen – etwa mit dem Tierfreundekreis Bad Kötzting, über den die Ausgabe von Tierfutter in Furth im Wald abgewickelt wird. „Die Hilfsbereitschaft im Landkreis Cham ist wirklich groß“, sagt Muhr. „Es läuft sehr, sehr gut und ich bin den Bürgern wirklich dankbar für ihre Unterstützung.“
Die Menschen, betont er, wollten wirklich helfen – das sei jeden Tag zu spüren. „Aber gerade weil wir diese Hilfsbereitschaft ernst nehmen und sicherstellen wollen, dass jede Spende ankommt, wird es mein Plan bleiben, die Sachspenden gezielt abzurufen.“ Das Schlimmste, was passieren könne – das hätten Katastrophenlagen wie 2021 im Ahrtal gezeigt –, sei, dass unkontrolliert und in zu großen Mengen angelieferte Hilfsgüter entsorgt werden müssten. „Das will keiner und es nützt auch niemandem“, bekräftigt Muhr.
Für Rückfragen und Hilfsangebote steht das BRK Cham unter der Mail-Adresse katastrophenschutz(at)kvcham.brk.de zur Verfügung.