„Für ihn war das nicht vorstellbar“: Das BRK erfüllte dem 71-Jährigen, der im Pflegestift St. Ulrich in Lam lebt, den großen Wunsch, in die Landeshauptstadt zu fahren. Dort hatte er mit 15 seine Ausbildung gemacht. Bei seinem alten Arbeitgeber erlebte er eine Riesenüberraschung. Die Idee für den Ausflug stammte von Physiotherapeutin Ingrid Metschl. Sie möchte „die Menschen ermutigen, sich dem Herzenswunschmobil mehr zu öffnen“. Hospiz an sich habe erst einmal nichts mit Sterben zu tun, meint sie.
Von Maja Schoplocher
Lam. Manche Orte bleiben einfach in Erinnerung: die erste eigene Wohnung, das Lieblingsversteck als Kind oder der erste Arbeitsplatz. Letzterer hatte für Bernd G. große Bedeutung, weshalb er Ende März mit dem BRK-Herzenswunsch-Hospizmobil noch einmal einen Ausflug nach München machte.
„Für ihn war es nicht vorstellbar, dass er nochmal dorthin kommt“, berichtet Tilla S., seine Lebensgefährtin. Seit drei Jahren hat der 71-Jährige einen Gehirntumor. Er lebt mittlerweile im Pflegestift St. Ulrich in Lam.
Seit einem Sturz im Dezember sei er ziemlich ängstlich, sagt Tilla. Deshalb habe sie ihm vorher nicht Bescheid gesagt. „Er hätte sonst nicht mehr geschlafen.“
Die Idee für die Fahrt stammte von Ingrid Metschl, der Krankengymnastin und Physiotherapeutin von Bernd. Sie erzählt, dass sie ihn „ausgequetscht“ habe, um herauszufinden, wo er gern noch einmal hinfahren würde. Sofort war klar, dass es nach München gehen soll. „Er hat München einfach geliebt“, meint Tilla.
„Optimale Unterstützung“
Umgesetzt war die Idee nach der Kontaktaufnahme mit stellvertretendem Rettungsdienstleiter Tobias Muhr relativ schnell. Er machte sich mit viel Erfahrung an die Organisation – sodass die BRK-Mitarbeiter Louis Pscheidt und Max Stoiber ihren Fahrgast bald mit dem Wunschmobil im Pflegeheim abholen konnten.
„Ich war von ihm beeindruckt, denn er war sofort abfahrbereit, obwohl die gesamte Fahrt eine Überraschung war“, berichtet Pscheidt.
Die Unterstützung der beiden 24-Jährigen, die als hauptamtliche Rettungssanitäter fürs Rote Kreuz tätig sind, an diesem Tag aber ehrenamtlich mit ihrem Patienten aufbrachen, war für die Angehörige optimal. Für Bernd sei es wichtig gewesen, die Jungs dabei zu haben, sagt Tilla.
„Ich war von ihm beeindruckt, denn er war sofort abfahrbereit, obwohl die gesamte Fahrt eine Überraschung war.“
Rettungssanitäter Louis Pscheidt
Die erste Station des Ausflugs war das Lenbachhaus. Obwohl Bernds Ausbildungsort nur etwa 400 Meter davon entfernt liegt, hatte er es nie geschafft, der Kunstausstellung einen Besuch abzustatten. Sichtlich glücklich war er darüber, sie jetzt nach all der Zeit endlich besichtigen zu können.
Gemeinsam verbrachte die Gruppe die Mittagspause im Restaurant des Lenbachhauses. Mittlerweile war auch Jens D., der Neffe von Tilla S., der in der Landeshauptstadt arbeitet, hinzugestoßen. Nach dem Essen ging es weiter zur Firma Zausinger Elektrotechnik.
Dort hatte Bernd vor fast 60 Jahren seine Lehre gemacht. Von Lam sei er dafür mit 15 Jahren nach München gefahren. Das könne man sich heute gar nicht mehr vorstellen, meint Tilla.
Die Fahrt bis zur Lehrlingsunterkunft war damals fast schon eine Weltreise, zumindest aber ein großes Abenteuer für einen Jugendlichen. Von seinen Erlebnissen aus dieser Zeit wisse er noch alles.
Beispielsweise, dass er in die Uni zum Essen gegangen sei, weil es da preiswerter war. Seinen Studentennachweis? Den habe er einfach „vergessen“ gehabt, sagt Tilla mit einem Augenzwinkern.
Sobald die kleine Gesellschaft vor dem Betrieb angekommen war, meinte Bernd nur: „Da dürfen wir eh nicht rein“. Umso größer war die Freude, als die Tore sich öffneten und die Oberpfälzer von Personalchefin Mladenka Covic und Mitarbeiterin Marina Scheller willkommen geheißen wurden. Tobias Muhr hatte den Exklusiv-Empfang in die Wege geleitet…
Obwohl die Örtlichkeit nach all den Jahren heute ein moderneres Erscheinungsbild hat, hat sich das Gebäude, in dem Bernd damals seine Ausbildung absolvierte, von außen kaum verändert.
Er erkannte alte Kollegen wieder
Da das Wetter schlechter geworden war, steuerte die Gruppe einen Konferenzsaal an. Dort folgte die nächste Überraschung. Die Personalleiterin überreichte Bernd eine Firmenbroschüre, in der er sogar einige Personen wiedererkannte – etwa einen Lageristen oder seinen ehemaligen Ausbildungsleiter.
Während der gesamten Fahrt sei ihr Partner besser „beieinander“ gewesen als sie selbst, berichtet seine Lebensgefährtin. „Er war so gelöst.“ Obwohl sie Bedenken hatte, wie er es wohl verkraften würde, war die Fahrt ein voller Erfolg.
„Patienten müssen nicht immer sterbenskrank sein, um dieses BRK-Angebot in Anspruch zu nehmen.“
Physiotherapeutin Ingrid Metschl
Geschichten wie diese spornen Ingrid Metschl in einem Punkt besonders an: Sie möchte „die Menschen ermutigen, sich dem Herzenswunschmobil mehr zu öffnen“. Hospiz an sich habe erst einmal nichts mit Sterben zu tun. Patienten, meint sie und ist sich an dieser Stelle mit Tobias Muhr einig, müssten nicht immer sterbenskrank sein, um das BRK-Angebot in Anspruch zu nehmen.
Oft sei für die Angehörigen einfach keine Transportmöglichkeit vorhanden, wenn ein Patient auf den Rollstuhl angewiesen sei. In dem speziellen Krankentransportwagen könnten Betroffene bequem sitzen oder liegen – ganz individuell. Die Betreuung sei durch BRK-Kräfte sichergestellt.
So könnten Freunde oder Angehörige Menschen, die ihnen wichtig seien, unvergessliche Momente bereiten – und eine Freude, die sonst nicht möglich wäre.
Mittlerweile hat Bernd eine Postkarte von den Verantwortlichen seiner alten Ausbildungsstätte erhalten. Sie wird mit Sicherheit einen Ehrenplatz bekommen. Wer weiß, vielleicht neben einem Foto seiner Herzensstadt München...