Das neue Rettungszentrum als „gigantisches Gemeinschaftswerk“

Der markante Neubau in Cham erhielt am Montag den kirchlichen Segen. An acht Standorten im Landkreis arbeite das Rote Kreuz mit zehn Rettungs- und sieben Krankenwagen jedes Jahr weit mehr als 18 000 Einsätze ab, erläuterte Kreisvorsitzender Theo Zellner. „Das soll verdeutlichen, dass die Notwendigkeit für eine Vergrößerung und Anpassung an gewachsene Strukturen notwendig war.“ Ein besonderes Anliegen war es ihm, in der Tiergartenstraße mit Wasser- und Bergwacht sowie den anderen Rot-Kreuz-Gemeinschaften „das Ehrenamt zusammenzuführen“.

Von Frank Betthausen

Cham. Rund acht Millionen Euro hat das Bayerische Rote Kreuz in den vergangenen Jahren in Cham investiert, um den Kreisverband „schlagkräftig und einsatzfähig zu machen“, wie es Kreisvorsitzender Theo Zellner am Montag formulierte.

In einem ersten Schritt erhielt die Verwaltung der Hilfsorganisation Ende 2020 – die Kosten beliefen sich auf rund drei Millionen Euro – ihren zentralen Sitz in der Further Straße. Zum 1. Januar dieses Jahres ging in der Tiergartenstraße das neue Rettungszentrum in Betrieb – ein Fünf-Millionen-Euro-Projekt.

„Es ist unsere Aufgabe und die Aufgabe der Gesellschaft und der Politik, die Rahmenbedingungen für effizientes und kompetentes Handeln zu schaffen.“ BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner

„Das ist die größte Summe, die der Kreisvorstand – so, wie er jetzt agiert – in all den Jahren auf den Weg gebracht hat“, verdeutlichte Zellner bei den Einweihungsfeierlichkeiten in der Chamer Rettungswache die Dimension der beiden Vorhaben. An einem „großen Tag für die gesamte Rot-Kreuz-Familie“…

Der langjährige BRK-Präsident erachtete ihn und die Verwirklichung des Rettungszentrums gerade deswegen als so wichtig, weil die Aufgaben und Einsätze für das BRK und seine Beschäftigten zunähmen – durch den Klimawandel genauso wie durch Großschadenslagen und die Konzentration im Gesundheitswesen.

„Da ist es unsere Aufgabe und die Aufgabe der Gesellschaft und der Politik, die Rahmenbedingungen für effizientes und kompetentes Handeln zu schaffen“, betonte Zellner.

Ein Gedenken an Ernst Girmindl

Der Bad Kötztinger hatte seine Rede vor fast 100 Gästen – unter ihnen Vertreter der beteiligten Baufirmen genauso wie Kollegen anderer Organisationen – mit einem Gedenken an den vergangene Woche gestorbenen früheren Landrat und BRK-Ehrenkreisvorsitzenden Ernst Girmindl begonnen.

„Ich denke mit besonderem Dank und mit großem Respekt an die Leistungen, die er für unsere Heimat erbracht hat“, hatte ihn sein Nachfolger in beiden Ämtern eingangs gewürdigt.

Die Notwendigkeit, in der Tiergartenstraße zu investieren und das 1978 an dieser Stelle errichtete und Anfang der 1980er Jahre erweiterte Rot-Kreuz-Zentrum durch einen Neubau zu ersetzen, untermauerte Theo Zellner mit einigen Zahlen.

Während damals „nur eine Hand voll Hauptamtlicher, unterstützt durch viele freiwillige Aktive“, im Rettungsdienst tätig gewesen sei, spreche man heute in Cham von 50 hauptberuflichen Kräften, Auszubildenden und Bundesfreiwilligendienstleistenden, die von 150 Ehrenamtlichen unterstützt würden.

„Herzstück für ein funktionierendes Zusammenspiel“

An mittlerweile acht Standorten im Landkreis arbeite das Rote Kreuz mit zehn Rettungs- und sieben Krankenwagen jedes Jahr weit mehr als 18 000 Einsätze ab. „Das soll verdeutlichen, dass die Notwendigkeit für eine Vergrößerung und Anpassung an gewachsene Strukturen notwendig war“, erklärte der Kreisvorsitzende, dem es nach eigenen Angaben ein besonderes Anliegen war, in der Tiergartenstraße mit Wasser- und Bergwacht sowie den anderen Rot-Kreuz-Gemeinschaften „das Ehrenamt zusammenzuführen“.

Die neue Rettungswache sei das Herzstück „für ein funktionierendes Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt im Rettungsdienst – in Verbindung mit den Gemeinschaften im Katastrophenschutz“.

Als „abschließenden Schritt“, mit dem das BRK an seinem Standort in Cham seine Kräfte bündele und sich landkreisweit für die Zukunft aufstelle, bezeichnete Zellner den für 2025 angedachten Bau einer Katastrophenschutzhalle oberhalb des neuen Rettungszentrums. Das geschehe aus der Verantwortung fürs Ehrenamt heraus, aber auch, um eine dauerhafte Einsatzbereitschaft sicherzustellen, Lagermöglichkeiten zu schaffen sowie die Anforderungen des Bundes mit immer größeren Fahrzeugen erfüllen zu können.

„Die technischen Planungen stehen, jetzt geht es an den Finanzplan“, erläuterte der Altlandrat, der seine Rede mit einem Versprechen schloss. „Die Menschen im Landkreis Cham können sich auf uns verlassen“, betonte er.

Die Einweihung des neuen Gebäudes nahmen der evangelische Pfarrer Michael Rummel aus Furth im Wald und der katholische Geistliche Dr. Kazimierz Pajor aus Cham vor. „Unser Schaffen braucht den Segen Gottes“, rief der Priester aus der Pfarreien-Gemeinschaft St. Josef und St. Martin den Zuhörern in Erinnerung.

Sein protestantischer Kollege las aus dem Lukas-Evangelium und fand in der bekannten Geschichte vom barmherzigen Samariter viele Parallelen zur Rot-Kreuz-Arbeit. „Sie folgen einem urchristlichen Ideal. Von Anfang an hatten Christen das Leid der nächsten im Blick und wollten helfen“, sagte Rummel.

Wie der barmherzige Samariter

Und er fuhr fort: „Gott handelt nicht nur durch sich selbst, sondern durch uns. Wir können durch unser Handeln zu einem Ersthelfer werden – zu einem guten Samariter. Einem Sanitäter! Deshalb passt diese Geschichte so gut zu Ihnen vom Roten Kreuz. Sie stoppen auf ihrem Weg und helfen den Menschen – wie der barmherzige Samariter.“

Auch MdL Gerhard Hopp lobte in seinem Grußwort die Rolle des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen. „Die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen im Landkreis Cham sind beim BRK und bei der Blaulichtfamilie in besten Händen“, sagte er und würdigte den Einsatz aller Kräfte im Haupt- und im Ehrenamt.

„Wir sprechen von Menschen, die sich ganz bewusst dafür entscheiden, ihre Zeit, aber auch ihre eigene Sicherheit für uns und unsere Sicherheit zu investieren und bei jedem einzelnen Einsatz auch aufs Spiel zu setzen“, betonte er. Das gebe ein Stück weit Sicherheit in Zeiten, in denen so vieles in Frage gestellt sei.

Zusammenhalt und Sicherheit

Der CSU-Politiker nannte in diesem Zusammenhang den Begriff der Zeitenwende, der in den vergangenen Monaten eher wieder in den Hintergrund getreten sei. Er bedeute für ihn, dass jeder Einzelne gefordert sei, sich für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Sicherheit einzubringen und anzuerkennen, was hier geleistet werde.

„Es muss uns nachdenklich machen, wenn es nach wie vor vorkommt, dass Rettungskräfte im Einsatz beschimpft werden. Dass das eigene Fortkommen, wenn man einmal im Stau steht, wichtiger ist, als dass jemandem geholfen wird – und dass zu wenig wertgeschätzt wird, was hier im Haupt- und im Ehrenamt geleistet wird“, sagte Hopp.

Stellvertretende Landrätin Gerlinde Graßl bezeichnete das BRK als „eine wichtige Säule im Rettungsdienst“. Die Mitarbeiter seien – im Haupt- wie im Ehrenamt – ein Geschenk für die Bürger der Region. „Sie sind Tag und Nacht – rund um die Uhr – das ganze Jahr über einsatzbereit, um Menschen in Not zu helfen.“

Das neue Rettungszentrum, das sie als „ein gigantisches Gemeinschaftswerk“ beschrieb, gewährleiste für die Arbeit der Rot-Kreuz-Kräfte optimale Voraussetzungen. Die Rettungswache in Cham schaffe neue Sicherheit, sei ein enormer Fortschritt und eine wichtige Investition in die Zukunft.

Wie ihre Vorredner hob sie die Rolle der Ehrenamtlichen besonders hervor. Sie seien das Rückgrat – auch im Rettungsdienst. „Ihr wertvolles Tun ist gelebte Verantwortung für die Mitmenschen“, sagte Graßl.

„Das zeigt, dass man auch in schwierigen Zeiten klug für die Zukunft investieren muss. Hier sind die Weichen richtig gestellt worden.“ Bürgermeister Martin Stoiber

Bürgermeister Martin Stoiber sprach mit Blick auf den Neubau von einem „Leuchtturmprojekt im Herzen des Landkreises“. Den BRK-Verantwortlichen bescheinigte er „eine mutige Entscheidung“, die während der Pandemie und in einer Phase extremer Preissteigerungen gefallen sei.

„Das zeigt, dass man auch in schwierigen Zeiten klug für die Zukunft investieren muss. Hier sind die Weichen richtig gestellt worden“, meinte er.

Menschen, erklärte Stoiber weiter, hätten Bedürfnisse – eines der wichtigsten sei das Thema Sicherheit. Dafür stünden die Blaulichtfamilie in der Region und das Rote Kreuz.

„Die Bandbreite des BRK ist dabei mittlerweile unendlich groß – von der Pflege bis hin zu den Kindergärten“, sagte der Bürgermeister, nach dessen Auffassung all das ohne den Einsatz engagierter Mitarbeiter nicht leistbar wäre. „Jeder von ihnen brennt für seine Aufgabe“, sagte er.

Ein großes Lob für die Kostendisziplin

Landesschatzmeister Hans-Frieder Bauer überbrachte als Vertreter des BRK-Präsidiums die Grüße von Präsidentin Angelika Schorer. Wie Martin Stoiber erinnerte er an die „wirtschaftliche Situation auf dem Bau“.

Vor diesem Hintergrund hielt er es „für außergewöhnlich“, dass die Kosten rund um das Projekt in Cham eingehalten worden seien. „Ein großes Lob an den Kreisverband und die Verantwortlichen dafür!“, meinte er.

Ganz allgemein dankte Bauer allen Ehrenamtlichen vor Ort – egal in welcher Rolle – für das, was sie für das BRK und die Gemeinschaft leisten. „Das ist nicht selbstverständlich. Es wird immer schwieriger, Menschen davon zu überzeugen, in ihrer Freizeit das Gemeinwohl mitzutragen. Die Interessen gehen oftmals woanders hin“, beschrieb der Landesschatzmeister die aktuellen Herausforderungen.

Baustelle mitten im Geschehen

Architekt Markus Weber vom Büro Schabel + Partner stellte das Bauvorhaben im Detail vor. „Für die BRK-Familie planen und bauen zu dürfen, ist eine besondere Ehre – und wenn man die neue Rettungswache in Cham betrachtet, auch eine besondere Herausforderung“, befand er.

Es sei eine knifflige Aufgabe gewesen, das Gebäude an dieser Stelle zu platzieren – im Hang, zwischen dem Altbestand und im laufenden Betrieb. Die Einsatzbereitschaft des Rettungsdienstes und der Wasserwacht habe rund um die Uhr gegeben sein müssen.

„Eine Baustelle mitten im Geschehen, das Krankenhaus mit dem Hubschrauberlandeplatz nebenan… Das erforderte eine intensive Abstimmung“, betonte Weber.

Mit dem Abbruch des ehemaligen Verwaltungsgebäudes im Juli 2022 und den Erdarbeiten habe sich die Erwartung bestätigt, dass das Baufeld nicht gerade die besten Bodenverhältnisse haben werde. „Maßnahmen zur Bodenverbesserung und eine sehr spannende Baugrube prägten den Start“, erläuterte der Planer. Der Zeitplan sei bei all dem extrem knapp gewesen, doch im Dezember 2023 habe die Baustelle dank des Engagements aller Beteiligten rechtzeitig fertiggestellt werden können.

Die neue Rettungswache, befand er, stelle ein imposantes, wirtschaftliches Funktionsgebäude dar. „Wenn man aber betrachtet, was alles dahinter- und drinsteckt, zeigt sie sich doch eher zurückhaltend und eingefügt in die Nachbarschaft und die enge Bestandsstruktur“, sagte der Architekt.

Knapp 1500 Quadratmeter Nettoraumfläche und ein Volumen von rund 6500 Kubikmetern verteilten sich auf vier Stockwerke.

Zwei Parkebenen für zehn Fahrzeuge, eine Waschhalle, Lager- und Einsatznebenräume sowie zwei Stockwerke für Büros, Ruhe- und Aufenthaltsräume und einen großen Schulungsbereich: All das sei extrem kompakt auf unter 500 Quadratmetern bebauter Fläche „in einem wahnsinnig engen und bis aufs Letzte ausgereizten Baufeld“ entstanden. „Die wahre Größe und Komplexität sieht man dem Gebäude gar nicht an“, erklärte Weber.

Durch eine energetisch hochwertige Bauweise – kombiniert mit einem Anlagenkonzept aus drei Luft-Wasser-Wärmepumpen, thermoaktivierten Betondecken und einer PV-Anlage – könne es in die Kategorie eines nachhaltigen Effizienzhauses 40 EE eingeordnet werden.

Einsparung von 60 Tonnen CO²

„In einem Jahr können somit über 60 Tonnen CO² eingespart und die Heizkosten nach aktuellem Stand – weg vom Gas – um das Zehnfache reduziert werden“, erläuterte der Experte, der den Rot-Kreuz-Verantwortlichen mit Theo Zellner an der Spitze am Montag den symbolischen Schlüssel überreichte.

Nach dem offiziellen Teil waren die Gäste zum Mittagessen eingeladen – zubereitet von Werner Heizler, Küchenchef des BRK-Senioren-Wohn- und Pflegeheims Waldmünchen. Das Service-Personal stellten Aktive der Bereitschaft Cham 2 von Michael Hilpl.

Im Freien erwartete die Besucher – für die Öffentlichkeit fand ab 13.30 Uhr ein Tag der offenen Tür mit geführten Rundgängen durch das Rettungszentrum statt – eine große Fahrzeugschau des BRK-Kreisverbands.