Kreisvorsitzender Theo Zellner tauschte sich am Freitagabend mit den Chamer BRK-Kräften aus, die in Rheinland-Pfalz im Hochwasser-Einsatz gewesen waren. „Ihr geht gegen die Gleichgültigkeit an, die sich leider auch in unserer Gesellschaft breitgemacht hat", sagte er. Von den Aktiven hörte er ergreifende, sehr persönliche Geschichten aus dem Ahrtal.
Von Frank Betthausen
Cham. Sigi Iglhaut geht die Geschichte immer noch nah. Die Dankbarkeit hat sich eingebrannt. Als er während des Hochwasser-Hilfseinsatzes mit dem Chamer BRK im Ahrtal ein Schnupfenmittel brauchte, ging er in seiner Rot-Kreuz-Kleidung in eine Apotheke. „Danke“, sagte er, als die Schachtel mit den Tabletten vor ihm auf dem Tresen lag und wollte zahlen. „Ich habe zu danken“, antwortete ihm der Apotheker – und gab ihm zu verstehen, dass er kein Geld für das Medikament wolle.
Michael Hilpl (vorne links) und Sigi Iglhaut (vorne rechts) berichteten Theo Zellner (stehend, hinten) wie einige andere BRK-Kollegen von ihren Erlebnissen im Ahrtal.
Wenige Worte, Riesenwirkung! Iglhaut, Mitglied der BRK-Bereitschaft Cham 2, steht bei einem Dankeschön-Abend für die Helfer aus Cham im Hof der Kreisgeschäftsstelle und ist auch Tage später immer noch gerührt, als er von seinem Erlebnis berichtet. „Das war toll“, sagt er.
Es ist eine Geste, die dem Kreisvorsitzenden Theo Zellner und Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner an diesem Freitag ein Herzensanliegen ist – den Einsatz der rund 20 BRK-Kräfte aus dem Landkreis zu würdigen, die kürzlich in Rheinland-Pfalz tagelang ihr Bestes gegeben hatten, um den Menschen in deren unvorstellbarer Not zu helfen.
„Ihr habt Bilder vor Euch, die man nicht so schnell vergisst. Das zu verarbeiten, ist nicht einfach“, sagt der BRK-Präsident vor den haupt- und ehrenamtlichen BRK-Mitarbeitern, die sich zum Abendessen an den Biertischen in der großen Fahrzeughalle versammelt haben.
Es ist eine Geste, die dem Kreisvorsitzenden Theo Zellner (6. v. l.) und Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner (2. v. r.) ein Herzensanliegen ist – den Einsatz der rund 20 BRK-Kräfte aus dem Landkreis zu würdigen, die in Rheinland-Pfalz ihr Bestes gegeben hatten. Auch Tobias Muhr (3. v. r.) war wieder einmal stolz auf sein Team.
Der Abend bei Schnitzel und Bier ist für Zellner ein wichtiges Signal – gerade ans Ehrenamt –, dass im Kreisvorstand und bei den BRK-Verantwortlichen gesehen wird, was die Mitglieder leisten. Und: Das Treffen dient dem Austausch über das Erlebte.
„Die Dankbarkeit der Bevölkerung war überwältigend“, berichtet Michael Hilpl, Leiter der Bereitschaft Cham 2. Die Rot-Kreuz-Aktiven aus der Oberpfalz waren für die Versorgung der Menschen vor Ort mit Essen, Getränken und anderen Gütern genauso verantwortlich wie später für die Verpflegung der 150 Feuerwehrkräfte aus dem Landkreis, die ins Ahrtal beordert worden waren.
Gerade in der Anfangszeit sahen sich die Chamer nach den Worten von Hilpl und stellvertretendem Bereitschaftsleiter Markus Hausladen Menschen gegenüber, die an ihrem Verpflegungshänger zum ersten Mal seit Tagen wieder etwas Warmes zu essen bekamen. Und dafür sogar noch bezahlen wollten, um irgendwie ihren Dank zum Ausdruck zu bringen!
Es sind Erzählungen wie diese, die auch Theo Zellner berühren und ihn sagen lassen: „Ihr könnt das Gefühl haben, dass Ihr nicht nur geholfen habt, sondern dass Ihr auch ein Stück Hoffnung geben durftet“. In einer Umgebung und einer Welt, in der das Wasser nichts mehr übrig gelassen hatte vom alten Leben der Menschen.
Michael Hilpl erzählt am Freitag von einer DRK-Helfergruppe, in deren Reihen ein Syrer anpackte. Er war vor einigen Jahren vor dem Krieg in seiner Heimat nach Deutschland geflüchtet. „Es ist wie zu Hause hier – nur ohne Bomben“, beschrieb der Mann seine Eindrücke im Ahrtal. „Dieser Satz ist dort sehr oft gefallen – auch von Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan waren“, sagt Katastrophenschutzleiter Tobias Muhr.
Es ist der Punkt im Gespräch, an dem Theo Zellner auf die psychischen Belastungen für die Helfer zu sprechen kommt. Die Handgriffe, die Abläufe, meint er, seien eingespielt – da seien die Aktiven stark. „Das andere ist in so einer Situation aber die mentale Stärke, die man mitbringen muss. Das nötigt mir allen Respekt ab“, meint Zellner und schneidet das Thema Selbstschutz im Einsatz an.
Der besteht vor allem aus Helferroutine und daraus, dass jeder weiß, welchen Handgriff es wo braucht – auch das wird an diesem Abend klar.
Ein Einsatz wie der im Ahrtal, das wurde beim Dankeschön-Abend in Cham wieder einmal deutlich, wäre ohne die ehrenamtlichen Kräfte des BRK niemals zu stemmen.
„Wenn man das alles auf sich einwirken lässt und das nicht wegschalten kann, kann man vor Ort seine Arbeit nicht machen“, sagt Michael Wagner von der Bereitschaft Falkenstein über die Eindrücke aus dem Katastrophengebiet.
Die Not dort spornte die Helfer aller Rettungsorganisationen, wie Tobias Muhr sagt, oft derart an, dass sie zur rechten Zeit vor ihrer eigenen Motivation und Hilfsbereitschaft geschützt werden mussten, um nicht auszubrennen. Nach erfolgreich abgearbeiteten Aufträgen galt es immer wieder, die Teams mit Nachdruck aus den Einsatzgebieten zurückzuholen.
Denn: Viele Helfer wollten auch nach langen Stunden nicht zurück in ihre Unterkünfte und weiterarbeiten. „Jeder hatte ständig das Gefühl, wir könnten noch viel mehr leisten“, beschreibt es Muhr.
Theo Zellner beeindrucken auch diese Erzählungen. Der Einsatz im Ahrtal ist für ihn eine „unglaubliche Botschaft“ an die Menschen im Land. „Ihr geht gegen die Gleichgültigkeit an, die sich leider auch in unserer Gesellschaft breitgemacht hat“, sagt er. Als er sich am Ende erkundigt, was sei, wenn das Chamer BRK noch einmal angefordert werde, antwortet ihm Tobias Muhr mit breitem Lächeln und ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen: „Dann sind wir alle wieder dabei!“
Ein großes Anliegen war es dem Katastrophenschutzleiter am Freitag, Anita Carola Zangl-Freimuth nicht zu vergessen. Die frühere Kreisbereitschaftsleiterin war bei der Zusammenkunft in Cham aus gesundheitlichen Gründen verhindert.
Als Mitglied des BRK-Kreisverbands Cham war sie mit einer Einheit aus Weiden ins Ahrtal aufgebrochen. Dort hatte sie als Feldköchin hunderte von Essen mit zubereitet. „Wir schicken ihr im Namen aller Kollegen die besten Genesungswünsche“, sagte Muhr.