Seit acht Jahren wird im Kompetenz- und Koordinierungszentrum (CCC) für den grenzüberschreitenden Rettungsdienst in Furth im Wald an einem vereinten Europa, für ein enges Miteinander und das Wohl der Menschen in Tschechien und Bayern gearbeitet. Zum Jahreswechsel startete in der Drachenstich-Stadt das dritte INTERREG-Projekt. Die Übergabe der Förderurkunde durch Staatssekretär Tobias Gotthardt nutzten BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner und andere Redner für leidenschaftliche Appelle, die Finanzierung dauerhaft über das Rettungsdienstgesetz sicherzustellen.
Von Frank Betthausen
Furth im Wald. An der Grenze zwischen Bayern und Tschechien wächst Europa jeden Tag ein kleines Stück mehr zusammen. Die Erfolge, die der enge Austausch zwischen den Nachbarn seit mehr als 30 Jahren mit sich bringt, sind unübersehbar. Die Menschen in der Region profitieren enorm von den Verbindungen – gerade beim Thema Hilfe und Rettung, das beim BRK seit acht Jahren im Kompetenz- und Koordinierungszentrum (CCC) für den grenzüberschreitenden Rettungsdienst in Furth im Wald weiterentwickelt wird.
„Hinter dem sperrigen Projektbegriff verbirgt sich nichts anderes als das Ansinnen, dass Menschen diesseits und jenseits der Grenze ohne bürokratische Hemmnisse und ohne systemische Unterschiede optimal und schnell von dem Helfer, der am nächsten ist, in die nächstliegende Einrichtung gebracht werden.“
BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner
Am Freitag übergab Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Tobias Gotthardt dort an BRK-Kreisvorsitzenden Theo Zellner und den Pilsener Regionspräsidenten Rudolf Špoták die Förderurkunde für ein neues INTERREG-Projekt, mit dem die Kooperation zwischen dem BRK-Kreisverband Cham und dem Rettungsdienst des Bezirkes Pilsen weiter intensiviert werden soll.
Zum 1. Januar hatte in der Drachenstich-Stadt die dritte Förderperiode seit 2016 – damals war das CCC in Betrieb gegangen – begonnen. Mit der Übergabe des Förderbescheids für das EU-Projekt „Grenzüberschreitende Notfallrettung Bayern/Tschechien: Harmonisierung und Digitalisierung“ werde die Finanzierung für weitere drei Jahre bis zum 31. Dezember 2026 gesichert, freute sich Zellner bei der Auftaktveranstaltung.
„Der Prozess wird weitergehen“
Bei aller Euphorie und Dankbarkeit darüber, dass „wir auch im Rettungsdienst wieder eine vierte Himmelsrichtung in einem freien Europa haben“, nutzte der langjährige BRK-Präsident den Termin, um „ein mahnendes Wort in die Zukunft“ zu sprechen.
Das Thema „Grenzüberschreitendes Rettungszentrum“ müsse auf Dauer im Rettungsdienstgesetz verankert und entsprechend finanziert werden. „Und da werden auch die Kostenträger, die Kassen, gefragt sein“, meinte der Kreisvorsitzende. „Das muss unser Anspruch sein, sonst stehen wir wieder hier in drei Jahren.“
Der 2016 angestoßene Prozess werde weitergehen, erklärte der frühere Landrat, der „in der Rettung“ die Normalität einforderte, wie sie beispielsweise zwischen Deutschland und Frankreich selbstverständlich sei.
„Es darf keine grenzbedingten Verzögerungen mehr geben. Die Menschen hier, wo Europa zusammenwächst – nicht in den Zentren! –, haben den gleichen Anspruch auf schnelle Hilfe wie die Menschen in unseren Ballungsräumen“, gab Zellner das „oberste Ziel“ aus.
Ohne bürokratische Hemmnisse
Hinter dem in seinen Augen „sperrigen Projektbegriff“ verberge sich nichts anderes als das Ansinnen, „dass Menschen diesseits und jenseits der Grenze ohne bürokratische Hemmnisse und ohne systemische Unterschiede optimal und schnell von dem Helfer, der am nächsten ist, in die nächstliegende Einrichtung gebracht werden“.
Tobias Gotthardt bezeichnete es in seinem Grußwort als „herausragend“, was in den vergangenen 30 Jahren in Sachen grenzüberschreitender Kooperation passiert sei – sowohl beim Rettungsdienst als auch bei der polizeilichen Zusammenarbeit und im Katastrophenschutz.
All das sei nicht nur eine Frage des Geldes, „sondern immer auch eine Frage derer, die es machen und aus dem Herzen heraus tun“. Der Landkreis Cham sei in diesem Punkt mit all seinen Akteuren ein absolutes Vorbild. „Hier ist sehr früh dafür gesorgt worden, dass die Partnerschaft mit der Region Pilsen lebt“, meinte der Politiker der Freien Wähler, der den Rettungsdienstpartnern auf beiden Seiten der Grenze auch aus einer privaten Erfahrung heraus bescheinigte: „Es läuft!“
Ein persönliches Beispiel
Als persönliches Beispiel nannte er die Erlebnisse seines Vaters, der vor drei Jahren mit einer Wandergruppe in Tschechien unterwegs gewesen war. Einer der Beteiligten habe damals Kreislaufprobleme bekommen. Sein Vater habe ihm später erzählt, wie wunderbar die Kooperation zwischen dem deutschen Rettungsdienst und dem tschechischen Krankenhaus funktioniert habe.
Auf bayerisch-tschechischer Seite sei ein Status erreicht worden, auf den in anderen Regionen durchaus neidisch geblickt werde. Für Gotthardt ein Zustand, den es weiter auszubauen gelte. „Unser Anspruch muss es sein, im Rettungsdienst keine Grenzen zu haben. Wir sollten nicht stehenbleiben und die Probleme angehen“, erklärte der Staatssekretär.
Mit Blick auf das Ende der Förderperiode in drei Jahren äußerte er sich „sehr zuversichtlich“, dass sich hier eine Lösung finde. „Weil klar ist, dass dieser Grenzraum – so, wie er zusammengewachsen ist – gemeinsame Strukturen braucht.“
Pilsens Regionspräsident Rudolf Špoták sah in dem neuen INTERREG-Projekt einen Beleg dafür, wie sich die Kooperation zwischen den Nachbarländern entwickele. Dabei merkte er mit einem Augenzwinkern an, dass die Schritte, die in der Vergangenheit beim grenzüberschreitenden Rettungsdienst gemacht worden seien, deutlich mehr Tempo gehabt hätten als in anderen Bereichen – etwa bei der Schienenverbindung zwischen Tschechien und Bayern.
Bei aller Freude über die bisherigen Erfolge machte Špoták wie seine Vorredner „weitere Herausforderungen“ und „eine Reihe an Dingen aus, die wir noch umsetzen müssen“. Ein Wunsch sei beispielsweise, die Verbindung im Bereich der Krankenhäuser zu intensivieren.
Für Furths Bürgermeister Sandro Bauer, der am Freitag auch in seiner Rolle als stellvertretender Landrat sprach, war das Projekt in der Drachenstich-Stadt „seit Anbeginn etwas Besonderes, weil es direkt bei den Menschen ankommt und weil es Probleme und Herausforderungen löst, die am Anfang gar nicht so einfach zu lösen schienen“.
Ein Thema sei immer noch die Sprachbarriere. Aber: „Gott sei Dank gibt es mittlerweile technische Möglichkeiten“, meinte Bauer mit Blick auf das Projekt „Harmonisierung und Digitalisierung“. Hier komme KI (Künstliche Intelligenz) mit vielen Möglichkeiten zum Einsatz.
„Die Erfolge können sich sehen lassen“
Bei all dem gehe es letztendlich immer darum, „Menschen, die in Not geraten und in persönlichen Ausnahmesituationen sind, zu helfen“, sagte der Bürgermeister, nach dessen Darstellung sich „die Erfolge der ersten Förderperioden sehen lassen können.“
Frieden, Freiheit, Freundschaft und Sicherheit: Landtagsabgeordneter Gerhard Hopp sprach von einem „unglaublichen Glück, das wir hier gemeinsam an der bayerisch-tschechischen Grenze erleben können“. Wo vor noch nicht allzu langer Zeit Grenzsoldaten Reisende aufgehalten hätten, sei es heute Alltag, „dass sich Menschen über Grenzen hinweg helfen und gegenseitig retten“.
„Das ist so unglaublich selbstverständlich für uns geworden. Aber gleichzeitig ist es auch unsere Pflicht und Aufgabe, diese Selbstverständlichkeit zu erhalten, dafür zu arbeiten und uns dafür einzusetzen“, meinte der CSU-Politiker, der das im Januar gestartete INTERREG-Projekt als „Meilenstein und Leuchtturm“ für die nächsten drei Jahre bezeichnete.
Von der Gegenseite profitieren
Für die Politik las er aus den Erfolgen der Vergangenheit den Auftrag heraus, das Ganze zu verstetigen und sich mit Anpassungen am Rettungsdienstgesetz zu befassen. „Die nächsten drei Jahre sind gesichert. Aber: Wir hören gut zu und wissen – drei Jahre enden auch. Das heißt, unsere Aufgabe muss sein, gemeinsam mit den Krankenkassen die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich dieses große Glück und diese Selbstverständlichkeit fortsetzen.“
Sebastian Lange, Abteilungsleiter Rettungsdienst bei der BRK-Landesgeschäftsstelle in München, appellierte an die Verantwortlichen, bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit nicht nur die Rettung von Menschenleben in den Fokus zu nehmen, sondern die unterschiedlichen Rettungsdienstsysteme auf beiden Seiten der Grenze zu betrachten. „Davon können wir profitieren“, meinte er.
„Das ist so unglaublich selbstverständlich für uns geworden. Aber gleichzeitig ist es auch unsere Pflicht und Aufgabe, diese Selbstverständlichkeit zu erhalten, dafür zu arbeiten und uns dafür einzusetzen.“
Landtagsabgeordneter Gerhard Hopp
Während der Rettungsdienst in Deutschland oftmals an seine Belastungsgrenzen stoße, hätten die Kollegen in Tschechien das Thema deutlich besser im Griff. „Das sind letztendlich auch Versorgungsstrategien, von denen wir lernen können.“ Gerade im Bildungsbereich – in Tschechien finde die Ausbildung der Paramedics auf sehr hohem Niveau statt – könne man gut von diesen Entwicklungen profitieren und „das auf das Berufsbild der Notfallsanitäter übertragen“.
Mit Blick auf das nahende 50-jährige Bestehen des Rettungsdienstgesetzes in Bayern und die Kooperation über Ländergrenzen hinweg befand Lange: „Da gibt es einen wesentlichen Baustein, den wir dort nicht berücksichtigt haben.“ Und er schob nach: „Die Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert.“
Eine vierte Förderperiode, das sei seine Hoffnung, brauche es nicht. „Spätestens dann muss das in den Regelrettungsdienst überführt werden“, betonte der Abteilungsleiter.
Manfred Maurer, Projektleiter des Kompetenz- und Koordinierungszentrums für den grenzüberschreitenden Rettungsdienst zwischen Bayern und Tschechien, stellte den Gästen Details des dritten INTERREG-Projekts vor.
So gab er unter anderem einen Ausblick auf die geplante Notruf-App, die nach dem Vorbild anderer europäischer Länder auf Bayern ausgerollt werden solle. Dabei werde der Anrufer per GPS-Tracking genau geortet. In der Anwendungssoftware sei für den Notfall automatisch die richtige Leitstelle hinterlegt.
Hintergrund: Das neue INTERREG-Projekt