Vertreter der Blaulicht-Organisationen im Landkreis Cham, des Gesundheitswesens und der Politik richten einen leidenschaftlichen Impf-Appell an die Öffentlichkeit. „Wenn wir noch einmal ein Jahr verstreichen lassen, stehen wir im Herbst wieder vor derselben Situation“, sagte BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner.
Von Frank Betthausen
Cham. Es war ein Termin der deutlichen Worte und der klaren Botschaften: Auf Initiative des BRK-Kreisvorsitzenden Theo Zellner haben sich am Mittwoch, dem Tag der Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag, Vertreter der Blaulicht-Organisationen im Landkreis sowie des Gesundheitswesens zusammengetan, um einen leidenschaftlichen Impf-Appell an die Öffentlichkeit zu richten.
Die Corona-Schutzimpfung, erklärte Zellner beim Zusammentreffen von Polizei, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Malteser Hilfsdienst, Medizinern und Rotem Kreuz auf dem Gelände des BRK-Kreisverbands in der Further Straße, sei der einzige Lichtblick, der mittel- und langfristig helfe, die Pandemie zu überwinden. „Wenn wir noch einmal ein Jahr verstreichen lassen, stehen wir im Herbst wieder vor derselben Situation“, sagte er.
Mit dem Vorstoß, schilderte der Kreisvorsitzende sein Anliegen, habe er eine ähnlich gelagerte Aktion aller bayerischen Hilfsorganisationen und der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz, die vergangene Woche in München stattgefunden hatte, auf „unsere Situation in Cham herunterbrechen“ wollen.
„Unsere Leute sind mental an der Grenze"
„Wir wollen alle das Gleiche. Dieses Signal wollte ich in der Bevölkerung in die Breite tragen“, betonte der frühere BRK-Präsident mit Blick auf die systemrelevante Arbeit der vertretenen Organisationen, die ihre Einsatzfahrzeuge öffentlichkeitswirksam auf dem BRK-Parkplatz abgestellt hatten.
Ein emotionales Plädoyer fürs Impfen hielt er schon allein wegen der Belastungen, denen die Mitarbeiter in der Pflege und im Rettungsdienst ausgesetzt seien. „Unsere Leute sind körperlich und mental nach zwei Jahren an der Grenze“, erklärte Zellner. Ähnlich formulierte es Dr. Bernd Hardmann, Chefarzt bei Sana und Ärztlicher Leiter der Impfzentren Roding und Bad Kötzting. „Wir sind am Limit“, betonte er.
Stellvertretende Landrätin Dr. Johanna Etti berichtete in ihrer Rolle als Versorgungsärztin ebenfalls davon, dass viele niedergelassene Ärzte aktuell durch die Zahl der Erkrankungen häufig an ihre Grenzen stießen. Sie äußerte „ein ganz klares Ja“ zum Impfen und zur allgemeinen Impfpflicht. „Ich hoffe, sie kommt bald“, sagte sie.
Löffler vertraut Medizin und Wissenschaft
Theo Zellner hatte sie in diesem Punkt an ihrer Seite. Es sei „einfach nicht in Ordnung“, das Ganze nur für systemrelevante Berufe geltend zu machen, meinte der BRK-Kreisvorsitzende. Mit einer Impfung gehe es in besonderer Weise darum, die Mitarbeiter im Rettungsdienst, in der Pflege oder in den Krankenhäusern zu schützen und die Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten.
Landrat Franz Löffler, der terminlich verhindert war, rief in einem schriftlichen Statement zu der Aktion „im Vertrauen auf Medizin und Wissenschaft jede und jeden dazu auf, sich in Solidarität mit den Nächsten impfen zu lassen“.
In kurzen Interviews mit der BRK-Pressestelle äußerten die Teilnehmer am Mittwoch ihre Ansichten zum Thema Impfen und zur Corona-Lage in der Region.
„Das oberste Prinzip für uns ist, dass wir erst einmal unsere Leute schützen. Wenn wir das nicht tun, können wir den anderen nicht helfen. Allein das müsste jeden dazu bringen, sich impfen zu lassen, um dieses Hilfesystem aufrechterhalten zu können. Seit zwei Jahren sind und arbeiten Menschen in der Pflege, im Rettungsdienst und in den Kliniken an der Grenze der Belastung. Wenn jetzt – nur auf diese Gruppe bezogen – mit der Impfung ein weiterer Auftrag auf sie zukommt, muss ich ganz klar sagen, dass sich diese Gesellschaft einmal die Frage nach der Gerechtigkeit stellen muss. Deswegen bin ich auch für eine allgemeine Impfpflicht, wie auch immer man sie ausformuliert oder ausdifferenziert.“
„Ich bin für die allgemeine Impfpflicht, weil wir mit der partiellen Impfpflicht Gefahr laufen, dass sich vor allem unsere Pflegekräfte als Sündenbock fühlen – und das, obwohl diese Berufsgruppe ohnehin seit zwei Jahren in der Pandemie über sich hinauswächst. Ansonsten gilt: Impfen ist besser als schimpfen! Das Hier und Heute zählt. Mein Appell lautet daher: Impfen, machen – auf geht’s! Nur so kommen wir in die Zukunft.“
„Man muss sich einfach einmal vorstellen, welche psychische Belastung das für das Rettungsdienstpersonal ist, auf engstem Raum von drei, vier Quadratmetern in einem Krankenwagen einem Patienten gegenüber zu sitzen, der Covid-19 mit sich trägt – und nach dem Dienst wieder zur eigenen Familie nach Hause zu gehen. Das könnte man unseren Leuten ersparen, wenn man sich für die Impfung entscheiden würde. Wobei ich nicht dafür bin, das wieder auf Berufsgruppen zu beschränken. Zum einen haben wir, um für den Kreisverband Cham zu sprechen, eine weit über 90-prozentige Impfquote bei unserem Personal. Damit stellt sich die Frage, wie viele Leute ich tatsächlich überhaupt noch erreiche, wenn ich in diesem Bereich noch etwas bewegen will. Zum anderen gilt: Nur wenn alle diesen Weg gehen, kann der Schutz für alle in einer Form da sein, dass sich das Leben wieder normalisieren kann.“
„In meinen Augen müsste nach dieser langen Zeit jeder das Verständnis dafür aufbringen, dass er mit der Impfung sich selbst vor einer schweren Erkrankung und einer Verbreitung schützt, aber natürlich auch seine Mitmenschen. Wir alle sind dafür verantwortlich, wann wir aus dieser Pandemie heraustreten. Das tut niemand für uns oder nimmt uns keiner ab. Wir können das nur durch unser eigenes Verhalten und die Impfungen regeln. Die priorisierte Impfpflicht für die Pflege, das medizinische Personal und den Rettungsdienst liegt mir schwer im Magen, weil im Rettungsdienst das Ehrenamt gesetzlich mit benannt ist. Das heißt: Bei einer Großschadenslage dürfte ab dem März bei uns kein Ungeimpfter ausrücken, während für andere Katastrophenschutz-Einheiten wie die Feuerwehr oder das THW keine dieser Auflagen gilt. Das ist etwas, das fürs Ehrenamt unbedingt geklärt werden muss. Bei all den genannten Punkten bin auch ich ganz klar für eine allgemeine Impfpflicht.“
„Die meisten Menschen im Landkreis Cham wissen, dass Impfen der einzige Weg aus der Pandemie ist. Es verringert die Gefahr eines schweren Verlaufs der Erkrankung und entlastet das Gesundheitssystem. Mehr als 72 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Davon haben bereits rund 48 Prozent die Auffrischungsimpfung erhalten. Aber es könnten noch weit mehr sein. Angesichts der raschen Ausbreitung der Omikron-Variante ist das wichtiger denn je. Im Vertrauen auf Medizin und Wissenschaft rufe ich jede und jeden dazu auf, sich in Solidarität mit den Nächsten impfen zu lassen.“
„Meine persönliche Botschaft lautet: Ich impfe mich für mich! Ich impfe mich aber auch für Dich – und für Dich! Und für alle anderen! Eine Gruppe, die mir ganz schwer am Herzen liegt und die zur Personengruppe ‚Dich‛ gehört, sind unsere Kleinsten! Unsere Kinder und Kindergartenkinder! Unsere Schulkinder! Natürlich impfen wir uns auch – das ist völlig klar – für die Gruppe der schwächeren und älteren Menschen. Für die kleinen Kinder und Jugendlichen ist es aber besonders wichtig, dass wir uns alle impfen lassen. Das ist eine Gruppe, die wir zwar nicht vergessen haben, die wir aber nicht so im Fokus hatten und haben. Der Schaden, den die Kinder in der Pandemie nehmen, ist immens.“
„Ich halte die Impfung für die wichtigste Maßnahme, damit wir die Einschränkungen der Corona-Pandemie hinter uns lassen können und die Gefahr von schweren Erkrankungen möglichst minimieren. Mit einer Impfung leisten wir alle einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Familien, aber auch unserer Kolleginnen und Kollegen.“
„Für mich ist das Impfen aus mehreren Sichtweisen heraus wichtig. Einmal aus privater, familiärer Sicht, um die eigene Familie und die Mitmenschen zu schützen. Zum Zweiten aus beruflicher Sicht! Ich bin Schulhausmeister. Es kostet uns in der Arbeitswoche ungefähr einen Tag, nur Tests herzurichten, zu entsorgen und mich um das ganze Außenherum und die Klassentestungen zu kümmern. Aus Sicht der Einsatzkräfte ist zu sagen: Wir hatten im Landkreis bisher Glück, dass wir wegen Corona noch keine der 190 Feuerwehren abmelden mussten – obwohl wir bei Übungen auch schon Corona-Fälle hatten. Aber: Wir haben den Einsatzdienst aufrechterhalten können. Wir wollen die Mitmenschen schützen, denen wir helfen. Ich möchte aber auch gerne durch Mitmenschen geschützt werden, die geimpft sind. Denn wenn wir zu einer Einsatzstelle kommen, wissen wir nie, ob die betroffenen Personen infiziert sind oder nicht. Wir müssen trotzdem helfen – und wir helfen jedem gern. Darum bin ich für eine Impfpflicht für alle.“
„Das Impfen ist der einzige Weg, um aus der Pandemie herauszukommen, unsere Freiheiten zurückzuerhalten und wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können. Wir sind mit den Corona-Fahrten relativ stark eingespannt. Wenn man sieht, was das THW – im Katastrophenfall haben wir den Auftrag, für die Kreisverwaltungsbehörde Katastrophenschutz-Material zu transportieren – an Equipment herumfährt, ist das ein Aufwand, den man durch die Impfungen vermeiden könnte. Und wenn man bedenkt, dass die Menschen sich gegen so viele andere Krankheiten impfen lassen, ist es umso verwunderlicher, dass sie sich wegen Corona streiten.“
„Wie wichtig das Impfen ist, merken wir bei jedem Rettungsdiensteinsatz. Wir müssen uns den Patienten nähern und können den Abstand nicht in der Weise einhalten, wie es uns in diesen Tagen gesagt wird. In dieser Situation geht es darum, sich selbst und das medizinische Personal zu schützen. Dazu kommt der private Aspekt: Wenn ich es mit einem Patienten zu tun habe, der nicht geimpft ist, erhöht das das Risiko, dass ich die Infektion weitertrage und nach Hause zu meinen Kindern bringe – und die wiederum in die Schule. Oder: Dass ich die Infektion in den Job zurückbringe! Daher ist die Impfung umso wichtiger.“
„Seit bald zwei Jahren sind wir bei den Testungen voll gefordert. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, bei den Tests und anderen Gelegenheiten im persönlichen Gespräch mit den Leuten zum Impfen zu bleiben und zu erklären, wie wichtig es wäre. Hier lässt sich der eine oder andere doch überzeugen. Für die Ehrenamtlichen, für die ich spreche, sind die Impfungen ebenfalls extrem wichtig, damit sie im Rettungsdienst oder an anderen Stellen aushelfen können, wenn es andernorts zusammenbrechen sollte.“
„Ich möchte beim Thema Impfen einfach noch einmal in Erinnerung rufen, wie viel Arbeit für uns in diesen Tagen im Krankenhaus liegenbleibt. Das ist Wahnsinn, wie viele elektive Operationen, also medizinische Eingriffe, die aufschiebbar sind, das betrifft. Wie viele Menschen! Menschen, die neue Gelenke brauchen oder die eine Herz-Operation benötigen würden! Für die wir aber kein Intensivbett finden, weil es von einem Covid-Patienten belegt ist. Wir haben hier einen riesigen Kollateralschaden, der viel zu wenig erwähnt wird.“