Mit 100 Jahren steigt sie noch einmal in einen Porsche Taycan

Margaretha Bless war um das Jahr 1950 herum die erste deutsche Rennfahrerin bei Porsche. Die Geschichte von der 100-Jährigen, die auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding lebt, beeindruckte die Verantwortlichen des Automobilherstellers derart, dass sie der betagten Dame am Freitag einen Traum erfüllten und ihr hochemotionale Momente bescherten. Bless durfte in einem E-Porsche noch einmal eine Spritztour machen. Die zweite Überraschung: Der Sportwagen aus dem Porsche Zentrum Niederbayern bleibt das gesamte Wochenende über in der Stadt. Das Team von Einrichtungsleiterin Yvonne Schönemann darf ihn – ein Zeichen der Wertschätzung für alle Pflegekräfte – nach Herzenslust für Ausfahrten nutzen.

Von Frank Betthausen

Roding. Margaretha Bless sitzt in ihrem Rollstuhl in der Morgensonne. Sie schlägt die Hände vor dem Mund zusammen und kämpft hinter ihrer dunklen Brille mit den Tränen. „Dass ich das noch erleben darf“, sagt sie mit stockender Stimme. Vor der 100-Jährigen, die seit gut vier Jahren auf der BRK-Pflegestation im Krankenhaus in Roding lebt und um das Jahr 1950 herum die erste deutsche Rennfahrerin im Team von Ferdinand Porsche war, steht ein Porsche Taycan.

„Das war schon alles aufregend. Den Männern habe ich es ganz schön gezeigt.“ Margaretha Bless in einem BRK-Interview über ihre Zeit bei Porsche

Der Elektro-Sportwagen in Tiefschwarzmetallic hat alles zu bieten, was das Autonarrenherz höherschlagen lässt. 435 PS inklusive! „Das geht hinauf bis zu 1000 PS“, erklärt William Huber, Technologie-Experte im Porsche Zentrum Niederbayern, Bless und den umstehenden BRK-Mitarbeitern und Gästen.

Huber hat den Wagen am Freitagmorgen zusammen mit seiner Kollegin in Plattling, der Marketing-Verantwortlichen Selina Weber, auf dem Vorplatz in der Arnulfstraße abgestellt. Das Auto soll den Pflegekräften der BRK-Einrichtung das ganze Wochenende über zur Verfügung stehen – für Ausflüge und Spritztouren.

Ein Zeichen der Wertschätzung

Die Aktion ist als Zeichen der Wertschätzung für alle Beschäftigten von Heimleiterin Yvonne Schönemann gedacht, die sich an 365 Tagen rund um die Uhr liebevoll um Bless und alle anderen Bewohner kümmern.

Zustande gekommen war die Initiative mit Porsche Niederbayern, nachdem die BRK-Pressestelle Ende Juni über die spannende Zeit von Margaretha Bless als Rennfahrerin berichtet hatte. „Das war schon alles aufregend. Den Männern habe ich es ganz schön gezeigt“, hatte die Seniorin, die im Dezember 101 Jahre alt wird, schmunzelnd aus ihrem bewegten Leben erzählt.

So klar, direkt und schlagfertig wie in dem Interview gibt sie sich auch am Freitag. „Haben sie’s auch geschafft“, meint sie keck, als ihr William Huber erläutert, dass heute das erste elektrische Modell von Porsche vor ihr stehe. Auf die PS-Zahlen, die ihr der Fachmann nennt, reagiert sie beeindruckt. „Ich hatte den alten 356er – der hatte wenig PS.“

Als es um das Automatik-Getriebe geht, räumt Bless ein, dass sie das – ihr Fahrgefühl war einst einfach ein anderes – nicht mehr beherrsche und dass sie sich daran nicht mehr gewöhnen könne. „Ich fahre jetzt Rollstuhl“, sagt sie und bringt die Umstehenden zum Lachen.

„Wir haben damals gesagt: Da müssen wir noch etwas machen. Das ist so einmalig, das ist so emotional und menschlich.“ Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner

Der Tag hatte für die Rodingerin um 7 Uhr begonnen, als Yvonne Schönemann und ihre Mitarbeiterinnen sie darauf vorbereitet hatten, dass später eine große Überraschung auf sie warte. Danach war die 100-Jährige in ihrer Vorfreude und ihrem Elan kaum noch zu stoppen gewesen…

Als sie eineinhalb Stunden später vor dem Krankenhaus den schwarzen Flitzer und die Empfangsdelegation mit BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner, stellvertretendem Kreisvorsitzenden Karl Holmeier und Bürgermeisterin Alexandra Riedl an der Spitze sieht, berühren ihre emotionalen Reaktionen alle Beteiligten.

Bless' Ergriffenheit steigert sich noch einmal, als ihr Schönemann und Wohnbereichsleiterin Beate Patola aus dem Rollstuhl helfen und sie sich ans Steuer des Sportwagens setzen darf. Wieder kullern Freudentränen! Mit den Händen am Lenkrad startet die Bewohnerin in zwei Sekunden von null auf hundert eine Reise in ihre Erinnerungen.

Sie erzählt fast ohne Punkt und Komma

Der eigentliche Höhepunkt folgt noch einmal 20 Minuten später. Als Beifahrerin von William Huber darf Bless im Taycan eine Stadtrunde drehen. Unterwegs ist sie kaum zu bremsen. Fast ohne Punkt und Komma berichtet sie ihrem jungen Fahrer von ihren spannenden Zeiten bei Porsche.

Von ihrem großen Vorbild Rudolf Caracciola! Löchern im Auspufftopf! Verschobenen Achsspuren und einem Rennen in Belgrad, bei dem der Veranstalter die Straßenbahn-Schienen mit Teer überzogen hatte, um sie danach mühsam wieder freizukratzen zu lassen…

„Ich bin immer noch begeistert. Der Porsche hat eine Straßenlage, als wäre er verbunden mit der Straße“, sagt die 100-Jährige in überzeugtem Kennerton, kurz bevor Huber mit dem Wagen wieder am Krankenhaus vorfährt.

Bei einem kurzen offiziellen Teil dankt Manfred Aschenbrenner dort ihm, Selina Weber und den Verantwortlichen aus Plattling für das Entgegenkommen und die Initiative in Roding.

„Ohne Porsche Niederbayern wäre diese Überraschung nicht geglückt“, sagt er und erinnert an den Artikel über Margaretha Bless und daran, wie der Kontakt zu dem Autohändler entstanden war. Aus einer spontanen Eingebung heraus!

„Wir haben damals gesagt: Da müssen wir noch etwas machen. Das ist so einmalig, das ist so emotional und menschlich“, erzählt der Kreisgeschäftsführer.

In der besonderen Geste des Unternehmens macht Aschenbrenner „ein starkes Signal und viel Wertschätzung für die Pflege“ aus. Dass ein Wohlfahrtsverband und eine Automarke wie Porsche bei einer Aktion wie dieser zusammenkämen, das habe es in Ostbayern noch nicht gegeben. „Solche Termine gibt es nur in der Pflege und beim Roten Kreuz“, sagt Aschenbrenner.

William Huber betont, wie wichtig es Porsche gewesen sei, den Pflegekräften und Margaretha Bless „diese Riesenfreude“ zu bereiten. „Wir sind sehr dankbar, dass wir euch unser Schmuckstück vorbeibringen durften. Dass wir mit unserem ersten E-Fahrzeug bei einem Teil dieser Lebensgeschichte dabei sein dürfen, ist auch für uns großartig“, erklärt er.

Bürgermeisterin Alexandra Riedl, die Aschenbrenner als Ehrengast eingeladen hatte, zieht rund 70 Jahre nach Bless' aktiver Zeit immer noch ihren Hut vor der Dame. „Alle Beteiligten hätten mit großer Spannung den BRK-Bericht über die Bewohnerin der Pflegestation in den Zeitungen gelesen.

„Für die damalige Zeit etwas ganz Besonderes“

„Was sie erreicht und geleistet haben, das war für die damalige Zeit wirklich etwas ganz Besonderes“, sagt sie an die Adresse ihrer betagten Bürgerin und dankt dem BRK für die „mehr als geglückte Überraschung“. An dieser Aktion zeige sich die enge Verbindung, die beim Roten Kreuz zwischen der Pflege und den Betreuten herrsche.

Karl Holmeier freut sich in seinem Statement als stellvertretender BRK-Kreisvorsitzender ebenfalls „von Herzen darüber, dass Margaretha Bless nach gut 70 Jahren wieder in ein solches Auto steigen durfte“. Es habe ihn stark beeindruckt, was sie in den 1950er Jahren für eine dynamische Rennfahrerin gewesen sei. Eine, vor der sich die Männer hätten verstecken müssen! „Sie haben es ihnen gezeigt, wie man mit einem Porsche fährt!“

Margaretha Bless sitzt zu diesem Zeitpunkt noch immer in dem Sportwagen vor dem Haupteingang. Sie hört zu und genießt. Als Yvonne Schönemann an den Beifahrersitz tritt und sie auf ihre Eindrücke anspricht, ist sie im Gegensatz zu den aufregenden Minuten zuvor sprachlos und ergriffen. Dieser Tag wird noch lange nachwirken – das ist sicher…

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⇒ Das Porträt über Margaretha Bless aus dem Juni ist unter diesem Link zu finden.