Mit ihrer Ausbildung fühlt sie sich heute endlich „vollständig“

In ihrer Heimat wollte Ivana Neumayer (50) einst Hebamme werden. Als sich dieser Traum nicht erfüllen ließ, lernte sie eineinhalb Jahre lang Krankenschwester, brach die Schule aber ab. Nach vielen Jahren spürte sie, dass ihr etwas fehlte. Ihre Erfüllung fand sie – wie auch ihre Kolleginnen Sabine Horchemer und Maria Styrnol – in einer Ausbildung zur Pflegefachkraft beim BRK. Dort ist ab September eine seltene, vier Jahre dauernde Teilzeit-Lehre möglich. „Wenn sich das einer überlegt, muss er jetzt einsteigen“, sagt Alexandra Dostal, die Ausbildungskoordinatorin beim Kreisverband Cham. Nach ihren Angaben ist das Angebot ideal für „Frauen im mittleren Alter – etwa Hausfrauen, deren Kinder aus dem Gröbsten raus sind“.

  • Von Frank Betthausen

    Waldmünchen. Es ist eine Riesenchance für alle, die in der Mitte ihres Lebens noch einmal durchstarten und sich beruflich umorientieren wollen: Im September beginnt an der Berufsfachschule für Pflege und Altenpflegehilfe Bad Kötzting der Unterricht für einen besonderen Jahrgang. Wer sich für eine Tätigkeit als Pflegefachmann beziehungsweise Pflegefachfrau interessiert, hat heuer die seltene Möglichkeit, seine Lehre über vier Jahre hinweg in Teilzeit zu absolvieren. Im Normalfall dauert die Ausbildung drei Jahre.

  • Maria Styrnol (links) und Ivana Neumayer (rechts) mit einer Bewohnerin des Waldmünchner Pflegeheims: Die beiden sind Spätberufene und haben es keine Sekunde bereut, in der Pflege beruflich neu angefangen zu haben. (Foto: Alexandra Dostal)

„Ich wollte einen sozialen Beruf ergreifen, die Schule beenden und eine Ausbildung in der Tasche haben.“ 

Ivana Neumayer, Pflegefachkraft

Es ist erst der dritte „Kurs“ dieser Art, an den sich Alexandra Dostal in den zurückliegenden 25 Jahren erinnern kann. „Wenn sich das einer überlegt, muss er jetzt einsteigen“, sagt die Ausbildungskoordinatorin beim BRK-Kreisverband Cham. Nach ihren Angaben ist das Angebot ideal für „Frauen im mittleren Alter – etwa Hausfrauen, deren Kinder aus dem Gröbsten raus und vormittags in der Schule oder der Kita sind“.

Wer sich beruflich neu ausrichten wolle, finde in der Pflege und der Teilzeit-Ausbildung ideale Möglichkeiten, meint sie und verweist auf die Förderung durch die Agentur für Arbeit, „Büchergeld“ und Fahrtkostenzuschüsse. „Man geht definitiv nicht nur mit dem Lehrlingsgeld nach Hause“, sagt Dostal, die als Pflegedienstleiterin im BRK-Senioren-Wohn- und Pflegeheim Waldmünchen arbeitet und sich von dort aus um Ausbildungsfragen beim BRK Cham kümmert.

Die Aussicht auf einen „absolut sicheren Beruf“

Um die Werbetrommel für ihren Beruf zu rühren und zu verdeutlichen, wie erfüllend und interessant eine Pflege-Laufbahn auch in späteren Jahren sein kann, hat sie drei Quereinsteiger aus ihrem Team zum Gespräch zusammengeholt: Maria Styrnol (60), Sabine Horchemer (44) und Ivana Neumayer (50). Mit Gabi Deisinger, die im Alter von 52 Jahren in die dreijährige Fachausbildung eingestiegen war, gibt es in Waldmünchen eine weitere Spätberufene. Sie ist bei dem Termin allerdings verhindert.

Maria Styrnol stammt aus Polen und war 1998 nach Waldmünchen gekommen. Sie hat drei Kinder und zwei Enkel und absolvierte vor Jahren zunächst die einjährige Ausbildung zur Pflegehelferin.

Weil sie großen Gefallen an ihrer Arbeit fand, wagte sie nach einer privaten Veränderung den Sprung ins Dreijährige und war dank einer Lehrzeitverkürzung nach zwei Jahren fertig. „Ich wollte wieder in die Schule gehen. Mir hat das gar nichts ausgemacht“, erzählt sie. Zumal sie die Aussicht auf einen „absolut sicheren Beruf“ hatte…

  • Werben leidenschaftlich für eine Laufbahn in der Pflege und die vierjährige Teilzeit-Ausbildung: Alexandra Dostal (2. von rechts), Maria Styrnol (2. von links), Sabine Horchemer (links) und Ivana Neumayer (rechts). (Foto: Frank Betthausen)
  • Ivana Neumayer, die in Tschechien zur Welt kam, lebte 24 Jahre lang in Waldmünchen und ist heute in Grafenkirchen zu Hause. Sie hat drei Kinder und hatte ihre Pflegelaufbahn 2018 ebenfalls als Helferin begonnen. Nach ihrer dreijährigen Ausbildung darf sie sich seit September 2022 Fachkraft nennen.

    In ihrer Heimat wollte die 50-Jährige einst Hebamme werden. Als sich dieser Traum nicht erfüllen ließ, lernte sie eineinhalb Jahre lang Krankenschwester, brach die Schule aber ab. Nach vielen Jahren spürte sie, dass ihr etwas fehlte. „Man fühlt sich nicht vollständig, man hat irgendwie nichts erreicht“, erzählt sie und beschreibt ihre Motivation, nach einem privaten Einschnitt beim BRK anzuklopfen.

„Ich wollte einen sozialen Beruf ergreifen, die Schule beenden und eine Ausbildung in der Tasche haben“, sagt sie. Sie liebe die Arbeit mit Menschen sehr und habe den Schritt nie bereut – auch deswegen, weil sie viele neue Freunde und Erfahrungen gewonnen habe. „Die Schule war super! Es waren harte Tage dabei, aber wenn du es schaffst, bist du einfach nur stolz. Man wächst über sich hinaus.“

Andere Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten

Ähnlich hat es Sabine Horchemer aus Stamsried erlebt. Die gelernte Einzelhandelskauffrau – die 44-Jährige hat ein Kind – ist seit 2011 beim BRK. Wie ihre beiden Kolleginnen hatte sie den Helferinnen-Lehrgang gemeistert und später die vierjährige Teilzeit-Ausbildung in Angriff genommen. „Das war kein Zuckerschlecken, da müsste ich mich selber anlügen“, sagt sie.

Der richtige Weg sei es dennoch gewesen. Die Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten – etwa zur Gerontofachkraft – seien völlig andere, betont sie. Und: „Was du hast, hast du. Das kann dir keiner mehr nehmen.“

„Man müsste in der Gesellschaft erkennen: Jeder wird alt, jeder braucht einmal Hilfe.“ 

Maria Styrnol, Pflegefachkraft

  • So wie all die einmaligen Erfahrungen. In den vergangenen 25 Jahren habe sie einiges miterlebt, sagt Maria Styrnol. Aber: „Es ist schön beim BRK. Wir sind wie eine Familie. Hier herrschen gute Arbeitsverhältnisse – und wir sind hier gut aufgehoben.“ Längst nicht nur vor diesem Hintergrund wünscht sie sich mehr Anerkennung für den Beruf. „Man müsste in der Gesellschaft erkennen: Jeder wird alt, jeder braucht einmal Hilfe. Und es ist gut, dass es Menschen gibt, die helfen“, sagt sie.

  • Sabine Horchemer mit einer „ihrer“ Bewohnerinnen in Waldmünchen: „Was du hast, hast du. Das kann dir keiner mehr nehmen“, sagt die 44-Jährige über ihre Ausbildung zur Fachkraft.

Hintergrund: Anmeldung bis 14. August

  • Kontakt: Wer Interesse an der drei- oder vierjährigen Ausbildung zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau hat, kann sich unter der Telefonnummer (09972) 30915 direkt an Alexandra Dostal wenden.
     
  • Wohnortnähe: Die Lehre ist in allen BRK-Einrichtungen im Landkreis Cham möglich – inklusive der Ambulanten Pflege. Ein Vorteil der neuen generalistischen Ausbildung ist für Dostal dabei: „Man kann wohnortnah lernen.“
     
  • Lernstoff: Was nach ihrer Darstellung in besonderer Weise für die vierjährige Teilzeit-Lehre spricht, ist der Umstand, dass sich der Stoff strecke und besser verteile. „Das kommt gerade Müttern entgegen, die im Alltag Kinder und den Haushalt zu versorgen haben.“
     
  • Anmeldung: Die Registrierung für die Pflegelaufbahn mit allen Formalitäten muss bis 31. August an der Berufsfachschule für Pflege und Altenpflegehilfe Bad Kötzting erfolgt sein. Eine Anmeldung sollte laut Dostal bis Montag, 14. August, stattgefunden haben.
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