Am 4. Juli 1994 zogen die ersten elf Bewohner ins BRK-Seniorenwohn- und Pflegeheim in Bad Kötzting ein. Andreas Leitermann und seine Familie haben die Geschichte des Hauses mitgeschrieben. „Das war eine zusammengewürfelte Truppe, eine Unternehmensneugründung! Keiner hat den anderen gekannt. Es hat seine Zeit gedauert, bis man da zusammengewachsen ist“, erinnert sich der langjährige Heimleiter an die Anfänge. Auf die wird bei einer internen Feierstunde am 16. Oktober zurückgeblickt.
Von Frank Betthausen
Bad Kötzting. Für Andreas Leitermann war das BRK-Seniorenwohn- und Pflegeheim Bad Kötzting vom ersten Tag an eine Familienangelegenheit. Als er die Einrichtung am 1. Juli 1994 als Leiter übernahm, war sein Vater Hans seit 32 Jahren Kreisgeschäftsführer. Er hatte den Bau des Hauses, dessen Belegschaft am Mittwoch bei einer internen Feierstunde in der Spielbank-Lounge das 30-jährige Bestehen begeht, an entscheidender Stelle begleitet.
„Ich bin dem Haus immer noch verbunden. Das ist mein Baby. Ich war nahezu 30 Jahre in der Funktion als Heimleiter – das waren schöne, aber auch anspruchsvolle, zum Teil schwierige Zeiten.“
Andreas Leitermann
„Dadurch, dass mein alter Herr bis 1998 in führender Rolle beim Roten Kreuz tätig war, war das für mich fast schon ein Familienunternehmen. Meine Arbeit war von Anfang an geprägt von einer besonderen Situation und Verpflichtung“, erzählt sein Sohn Andreas (59).
Das habe sein gesamtes Umfeld betroffen. „Ob das jetzt meine Frau war, die vor ihrer Beschäftigung im Hauptamt in den ersten Jahren schon ehrenamtlich im Heim tätig war, oder meine Mutter, die gebastelt und sich um die Hausdekoration gekümmert hat: Bei uns war die ganze Familie involviert. Das war schon etwas Spezielles“, blickt er zurück.
Dazu kam der Umstand, dass Leitermann als Bad Kötztinger – bestens vernetzt und mit „Gott und der Welt bekannt“ – das Privileg hatte, mit eineinhalb Kilometern Anfahrt beinahe vor der Haustür arbeiten zu können. „Das ist etwas anderes, als irgendwohin zu kommen und keinen zu kennen“, sagt er.
Es war Zeit für eine Veränderung
Im April dieses Jahres – nach bald drei Jahrzehnten als Heimleiter – löste sich Leitermann, sein Vater ist inzwischen 87 Jahre alt, auf eigenen Wunsch aus seiner Rolle und übergab das Zepter interimsmäßig an Stefan Hupf (48), der in einer Doppelfunktion auch dem Further BRK-Pflegezentrum vorsteht. Leitermann kümmert sich seitdem in der BRK-Verwaltung in Cham zentral um die Organisation der stationären Pflege.
Wie es für ihn ist, den Heimgeburtstag aus der neuen Perspektive zu verfolgen und mitzufeiern? „Ich bin dem Haus immer noch verbunden. Das ist mein Baby. Ich war nahezu 30 Jahre in der Funktion als Heimleiter – das waren schöne, aber auch anspruchsvolle, zum Teil schwierige Zeiten. Irgendwann wird es Zeit für eine Veränderung. So gesehen bin ich froh, dass ich den Cut gemacht habe, das Bad Kötztinger Haus von Cham aus aber weiterbegleiten kann“, erklärt er.
An dessen Anfänge erinnert sich Leitermann, als wären sie gestern gewesen. Vor allem, wenn es um die Belegschaft geht… „Das war eine zusammengewürfelte Truppe, eine Unternehmensneugründung! Keiner hat den anderen gekannt. Es hat seine Zeit gedauert, bis man da zusammengewachsen ist“, erzählt er. Es habe einige Jahre gedauert, bis sich ein fester Personalstamm gebildet habe.
Und auch wenn in 30 Jahren eine ganze Armee an Mitarbeitern gekommen und gegangen sei – was bei einem so langen Zeitraum in der Natur der Sache liege –, habe es in Bad Kötzting über ganz viele Jahre hinweg Phasen gegeben, in denen es so gut wie keine Personalwechsel gegeben habe. „Der Wechsel, den wir heute haben, kommt in hohem Maße durch die demografische Entwicklung und durch die Überalterung der Gesellschaft“, sagt Leitermann.
Und das Problem werde sich in der Pflege noch deutlich verschärfen, meint er mit Blick auf die sinkenden Geburtenzahlen und die Babyboomer-Jahrgänge, die nach und nach in Rente gingen.
„Aber: Der Markt sucht sich Wege“
„Die große Welle rollt erst auf unser System zu. Das wird spannend“, verhehlt der Bad Kötztinger im Jubiläumsjahr „seiner“ früheren Einrichtung die aktuellen Probleme nicht. Probleme, die sich durch Corona und das immer noch viel zu negative Bild der Pflege in den Medien verschärft hätten…
Stefan Hupf sieht ebenfalls große Veränderungen auf die Gesellschaft und die Heimträger zukommen – gerade, wenn es darum geht, das heutige Pflegeniveau in Deutschland zu halten.
„Die Auswahl derer, die in der Pflege arbeiten und arbeiten wollen, wird kleiner. Das sorgt für Probleme. Aber: Der Markt sucht sich Wege. Das war schon immer so – in unserer Branche etwa über niedrigschwelligere Angebote wie Tagespflegen, spezialisierte Wohngemeinschaften oder Pflegewohnungen“, erläutert er.
Die Schwelle zum Heimeintritt werde höher und müsse es auch werden. Gleichzeitig bedeute das aber auch, dass die Herausforderungen für die stationäre Pflege zunähmen, weil dort noch viel mehr als bisher schon die schwerst dementen und schwerst betreuungsbedürftigen Menschen unterkämen. „Wir müssen trotzdem versuchen, andere Wege zu gehen und die Leute ständig wieder neu zu motivieren, sich für diesen wunderbaren Beruf zu entscheiden“, sagt er. Hier spielten insbesondere weiche Faktoren und das eine Rolle, was Verbände und Arbeitgeber ihren Beschäftigten zu bieten hätten – im Idealfall einrichtungsbezogen und heruntergebrochen auf die Besonderheiten jedes einzelnen Heims.
„Das BRK hat einfach Beständigkeit und Verlässlichkeit – und ich glaube daran, dass wir diese Stärke des Roten Kreuzes, die immer da war, auch erhalten können.“
Stefan Hupf
So, wie in Furth im Wald seit 13 Jahren beispielsweise auf die Weiterentwicklung des Kinaesthetics-Projekts Wert gelegt werde.
Die Erfahrungswissenschaft basiert auf der Wahrnehmung der eigenen Bewegung und wird in der Pflege besonders geschätzt, weil sie nicht nur die eigene Gesundheit fördert, sondern auch viele positive Effekte auf die Entwicklung der betreuten Personen hat. Seit Ende September werden entsprechende Kurse auch für die Mitarbeiter des BRK-Seniorenwohn- und Pflegeheims Bad Kötzting angeboten.
Dass eine Einrichtung wie diese überhaupt 30 Jahre Bestand habe, meint der Interimsleiter, sei schon etwas Bemerkenswertes, wenn man sich die Entwicklung in manchen Bereichen und die Heimschließungen in der jüngeren Vergangenheit anschaue.
Bedingungen, unter denen jeder sein Bestes gibt
„Das BRK hat einfach Beständigkeit und Verlässlichkeit – und ich glaube daran, dass wir diese Stärke des Roten Kreuzes, die immer da war, auch erhalten können. Dass sich immer wieder Wege auftun und finden werden, diese Beständigkeit in die Zukunft zu tragen“, meint er. Dieses Gefühl begleite ihn auch durch schwierige Tage und gebe ihm Hoffnung für den Arbeitsalltag.
Bei all dem gehe es immer um die Mitarbeiter. „Als Heimleiter ist man dazu da, die personellen Strukturen zu schaffen. Du musst dafür Sorge tragen, dass dein Personal gut aufgestellt ist und Arbeitsbedingungen vorfindet, unter denen jeder gerne sein Bestes gibt“, betont Hupf.
Eine Kerbe, in die auch BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner schlägt. „Wenn ich auf die 30 Jahre zurückblicke, hatte Bad Kötzting wahrlich keine einfachen regionalen Rahmenbedingungen“, sagt er. Die Beschäftigten hätten sich dennoch immer wieder den Herausforderungen gestellt und „richtig starke Antworten gegeben“.
Die Belegschaft habe stets einen Blick und ein Gespür für die Zukunft gehabt und die Bereitschaft mitgebracht, Neues anzunehmen – etwa beim Thema Kinaesthetics oder der langjährigen Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Deggendorf bei innovativen Pflege-Themen. BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner sieht das ähnlich. „Wir haben riesige Zukunftsthemen in der Pflege vor uns", sagt der frühere Landrat, in dessen Bad Kötztinger Bürgermeister-Zeit das BRK-Haus in der Hauser Straße gebaut worden war.
„Es muss immer um die Menschen gehen. Um die, die uns als Bewohner anvertraut sind, aber auch um die, die für uns 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag mit Herz und Engagement im Einsatz sind.“
Theo Zellner
„Aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie meistern können und werden – weil wir aus der Mitte unserer Belegschaft heraus und mit den richtigen Leuten an der Spitze immer die passenden Antworten auf Schwierigkeiten gefunden haben.“
Pflege sei nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe, deren Bedeutung die Corona-Zeit den Menschen vor Augen geführt habe wie nie zuvor. Pflege brauche auch individuelle Konzepte, wie sie der BRK-Kreisverband in seinen Häusern finde.
„Wo wir das als Kreisvorstand unterstützen können, tun wir das sehr überzeugt – weil es immer um die Menschen gehen muss. Um die, die uns als Bewohner anvertraut sind, aber auch um die, die für uns 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag mit Herz und Engagement im Einsatz sind“, betont der ehemalige BRK-Präsident.
Vor diesem Hintergrund freut sich Stefan Hupf besonders, dass die Jubiläumsfeier am Mittwoch in erster Linie den Mitarbeitern gewidmet ist. „Es ist ein Fest für die, die das Haus und den Betrieb tragen. Darauf freue ich mich – und so gesehen ist es auch meine 30-Jahr-Feier, weil ich mich als Teil des Ganzen fühle. Ansonsten ist das, wenn ich an die jahrzehntelange Arbeit und die Verdienste von Andreas Leitermann denke, auf keinen Fall mein Tag“, erklärt er.
Sein Vorgänger habe große Fußabdrücke hinterlassen. „Vielleicht kann ich dem Ganzen in meiner Übergangszeit als Heimleiter einen kleinen Abdruck mitgeben. Wenn es ein positiver ist – umso besser!“
Hintergrund: Die Geschichte des Heimes