Zehn Jahre Kinderkrippe Pusteblume in Wilting: Eigentlich hätten Simone Laumer und ihr Team allen Grund, unbeschwert zu feiern – und eine Sommerfest-Party gibt es am Sonntag in der boomenden Früherziehungsstätte in der Gemeinde Traitsching natürlich. Doch in die fröhlichen Töne mischt sich auch Unverständnis. Denn: Die Einrichtung sollte längst um 26 auf 41 Plätze erweitert werden – allerdings verzögert sich der Baubeginn wegen einer Anwohnerklage auf unbestimmte Zeit. BRK-Referatsleiter Stefan Raab bezeichnet die Situation als „unerträglich“ und „belastend“ . Bürgermeister Josef Marchl ist auf der Suche nach Standorten für eine Übergangszeit – und wäre froh um geeignete Immobilien, die der Kommune angeboten werden.
Von Frank Betthausen
Traitsching. Simone Laumer schüttelt ungläubig den Kopf. Zehn Jahre Kinderkrippe Pusteblume! „Wahnsinn, verrückt!“, geht es der 40-Jährigen über die Lippen. So recht wahrhaben will sie es immer noch nicht, dass der Tag, an dem sie in Wilting die Einrichtungsleitung übernommen hatte, schon wieder so lang zurück liegt. Spätestens am Sonntag, wenn im Wichtelweg ein großes Geburtstags-Sommerfest steigt und die Ehrengäste dem Team zusammen mit den Eltern zum Zehnjährigen gratulieren, wird sie es endgültig realisieren…
„Das ist meine Jahresaufgabe! Die Einteilung ist mit großem Aufwand verbunden. Das ist ein wochenlanges Jonglieren.“
Einrichtungsleiterin Simone Laumer
Laumer war von Anfang an in den Aufbau der BRK-Krippe eingebunden. Sie arbeitete an der Konzeption mit, war an der Personalauswahl beteiligt und führte die ersten Aufnahmegespräche. Heute ist die gelernte Erzieherin, die sich zur Krippenpädagogin und zum Fachwirt im Erziehungswesen fortgebildet hat, mit ihrer Stellvertreterin Christiane Mende nicht nur stolz auf die vielen kleinen und großen Erfolge ihrer Mannschaft, sondern auch auf die Entwicklung der Einrichtung.
„Es ist immer in Bewegung, es tut sich immer etwas“, sagt die Traitschingerin über das Alltagsleben in der Früherziehungsstätte. Der Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ existiere dort nicht. „Wir schauen immer, was man noch verbessern und ausbauen kann und wo wir uns noch weiterentwickeln können“, betont Laumer, in deren Team aus sieben festangestellten Mitarbeitern neben ihr drei weitere Kolleginnen seit der ersten Stunde dabei sind.
Wechselplätze erlauben eine andere Planung
Sie alle haben miterlebt, wie die Nachfrage nach Betreuungsplätzen in der kontinuierlich wachsenden Chamer Vorort-Gemeinde Traitsching zugenommen hat. Insbesondere die Buchungszeiten haben sich extrem verlängert. 29 Kinder – verteilt auf 15 Plätze – beaufsichtigen Laumer und ihre Kolleginnen derzeit. „Das ist meine Jahresaufgabe! Die Einteilung ist mit großem Aufwand verbunden. Das ist ein wochenlanges Jonglieren“, sagt sie mit einem Schmunzeln über „ihre“ Krippe, die wegen ihrer Wechselplätze derzeit noch als eingruppig eingestuft wird.
In den Räumen in Wilting dürfen zwar pro Tag nicht mehr als 15 Mädchen und Jungen gleichzeitig anwesend sein – mit Ausnahme der Mittagszeit, in der sich die Gruppen überschneiden und eine Zahl von 20 Kindern erlaubt ist –, doch die Aufteilung auf den Vor- und den Nachmittag macht es dem Team möglich, insgesamt 29 kleine Traitschinger Bürger zu betreuen.
Seit mindestens fünf Jahren boomt die Pusteblume nach den Worten von Laumer gewaltig. Die Kommune hat darauf reagiert. Die Pläne für eine Erweiterung um 26 auf 41 Plätze sind lange abgesegnet. Der Bau auf einem angrenzenden Grundstück unterhalb des Areals könnte sofort beginnen, wie Bürgermeister Sepp Marchl bekräftigt. Doch es gibt Widerstand – und damit auch einen Schatten auf den Geburtstagsfeierlichkeiten an diesem Wochenende.
Ein Anwohner, der unter anderem den An- und Abfahrtslärm der Elternautos ins Feld geführt habe, hat Klage eingereicht. Laut Simone Laumer kämpfen 20 Familien, die zum 1. September dringend einen Betreuungsplatz benötigen würden, mit der unsicheren Lage.
Und nicht nur sie! Auch das BRK und die Gemeinde! Das gesamte Vorhaben hänge in der Luft, sagt Josef Marchl. „Wir würden gerne mit dem Bauen beginnen und wollten das heuer unbedingt noch in Angriff nehmen – wohlwissend, dass es durch die allgemeine Lage auf dem Bau mit einem Start im September schwierig geworden wäre. Aber jetzt sind uns die Hände gebunden und das Projekt verzögert sich noch einmal. Wir müssen abwarten, wie das Verwaltungsgericht urteilt“, erklärt der Bürgermeister.
Das könne bis zu einem Jahr dauern. „Und solange können wir auch nicht an die Fördergelder gehen“, meint er.
Von der Überlegung, einen Alternativstandort zu suchen, sei die Kommune schnell wieder abgekommen. „Wir haben diesen Platz eigens für die Krippe vorgehalten, sonst hätten wir dort längst schon Bauplätze verkaufen können. Aber das wollten wir nicht. Wir wollen die Krippe hier im Ort haben – und das in Verbindung mit dem BRK und der jetzigen Einrichtung“, betont Marchl.
Container als Ausweichmöglichkeit aufzustellen, funktioniere nicht – zumindest nicht direkt an der Krippe im Wichtelweg. Dort fehle es am Platz sowie am entsprechenden Strom-, Wasser- und Kanalanschluss. Wenn überhaupt, kämen Container nur im nahen Gewerbegebiet in Frage.
Allerdings stehen Marchl und seine Verwaltung hier vor dem nächsten Problem. Container seien momentan Mangelware. „In der derzeitigen Flüchtlingssituation ist es schwer, sie zu ordern. Und wenn wir sie bestellen können, haben wir eine Lieferzeit von bis zu einem Vierteljahr. Die ganze Geschichte ist wirklich nicht ohne.“
Natürlich sei die Gemeinde derzeit fieberhaft auf der Suche nach anderen Alternativen, auch wenn für einen Übergangsbetrieb immer viel zu klären sei – unter anderem mit dem Jugendamt.
Ein dringender Appell an die Bürger
In diesem Zusammenhang richtet der Bürgermeister einen Appell an seine Bürger. „Sollte jemand ein geeignetes leerstehendes Gebäude haben, das er zur Verfügung stellen würde, würden wir es natürlich auch anpachten, wenn es baulich einigermaßen zu realisieren wäre.“
Laut Marchl wäre die Kommune bereit, die Immobilie für eine Übergangszeit kurzfristig umzubauen. Wie lang sich diese Phase hinziehen könnte, steht in den Sternen. Selbst für den Fall, dass die Klage gegen die Krippen-Erweiterung zurückgezogen werden würde, hält der Bürgermeister einen Bezug erst im Frühjahr 2025 für möglich. „Ein Jahr Bauzeit werden wir schon brauchen“, sagt Marchl.
BRK-Referatsleiter Stefan Raab weist darauf hin, dass es die Überlegungen für einen Krippen-Ausbau vom allerersten Tag an gegeben habe. „Darum ist es für uns alle überraschend, dass es zu einer Klage gekommen ist“, sagt er. Die derzeitige Situation bezeichnet er als „unerträglich“. Sie belaste sowohl die Eltern als auch die Kinder, als auch ganz massiv das Personal. „Da gibt es nichts schönzureden“, meint er.
Zusammen mit der Gemeinde und der Einrichtungsleitung habe er vor einigen Wochen mit der Aufsichtsbehörde über mögliche Alternativen gesprochen. „Wir sind jeden Tag bemüht, alle Optionen auszuschöpfen, um hier schnellstmöglich Plätze zu schaffen. Die Situation, dass wir nicht bauen dürfen, war so nicht vorhersehbar“, erklärt der Referatsleiter.
Grundsätzlich, bittet er um Verständnis, könne das BRK als Träger nur mit dem Wasser kochen, das dem Sozialverband zur Verfügung stehe. „Das heißt: Wir haben Personal, wir haben ein Gebäude, wir haben eine Betriebserlaubnis für 15 Personen – und darüber hinaus geht bedauerlicherweise nichts. Wir haben im täglichen Betrieb alle Möglichkeiten ausgereizt“, betont er.
Käme es am Wichtelweg zur erhofften Aufstockung bei den Plätzen, wäre sie nach den Worten von Simone Laumer „ein Riesensprung“.
„Wir halten längst Personal vor und bilden auch aus.“
BRK-Referatsleiter Stefan Raab
Mit dem Ausbau hätte die Früherziehungsstätte künftig nicht mehr nur eine Gruppe, sondern derer drei. Zusätzlich schwebe der Gemeinde und dem BRK eine Kleinkindgruppe vor.
All das wäre mit einem deutlichen Plus bei den Mitarbeitern um fünf oder sechs Stellen verbunden, verdeutlicht Laumer. Referatsleiter Stefan Raab ergänzt: „Wir halten längst Personal vor und bilden auch aus.“ Wie die Gemeinde arbeite der BRK-Kreisverband Cham seit 2021 intensiv in Richtung Erweiterung.
Geht es nach Simone Laumer, soll „ihre“ Pusteblume nach dem Ausbau ihren unverwechselbaren Charakter behalten. „Das ist unsere Herausforderung: Dass es nach wie vor so familiär und gemütlich bleibt, obwohl es so eine große Einrichtung wird“, sagt sie.
Entscheidend ist das Vertrauen
Weitere Besonderheiten in Wilting seien ihr Team, was die vielen erfreulichen Rückmeldungen der Eltern bestätigten, und der rote Faden, an dem sich alle seit Jahren orientierten. „Man kommt rein und fühlt sich wohl, man merkt, dass es passt“, beschreibt Mitarbeiterin Tanja Zauner ihre Eindrücke, aber auch die vieler Mütter und Väter.
Überhaupt, freut sie sich, gebe es einen regen Austausch zwischen Eltern und Personal. „Es ist immer ein guter Dialog. Wir sprechen uns viel ab“, sagt Zauner, für die es an dieser Stelle ganz entscheidend um die Vertrauensfrage geht. „Man gibt sein Kleinkind einfach beruhigter ab, wenn man weiß, dass es in guten Händen ist.“
Einer der Leitsätze für die tägliche Arbeit, der in Wilting schon immer galt, steht im Flur der Einrichtung an der Wand: „Kleine Kinder brauchen Wurzeln, großen soll man Flügel schenken.“ Dieses Motto hätten alle verinnerlicht, betont Simone Laumer. „Wir wollen den Kindern Rückhalt geben, aber auch möglichst viel Freiraum, sich selbst entwickeln und entdecken zu können.“
In Wilting gelingt das seit zehn Jahren. Ein Jahrzehnt? Simone Laumer schüttelt ungläubig den Kopf. „Wahnsinn, verrückt!“, sagt sie.
Hintergrund: Das steht beim Sommerfest auf dem Programm