Sie kommen zum Einsatz, wenn der Wald zu dicht ist und Drohnen oder Hubschrauber bei der Vermisstensuche nichts mehr ausrichten: Rettungshunde! Seit wenigen Wochen wird in der zu neuem Leben erweckten Staffel in Cham wieder trainiert. Fachdienstleiterin Martina Hackl, die dringend Verstärkung und Interessenten sucht, hat uns zu einer Übung in den Wald bei Weiding mitgenommen.
Von Frank Betthausen
Weiding. Das Bimmeln wird lauter. Im Unterholz ist Kiras schwarz-weißes Fell zu sehen. Bei jedem energischen Sprung über den Waldboden läutet das Glöckchen an ihrem Geschirr mit dem Blinklicht und dem roten Kreuz. Drei, vier kraftvolle Antritte – schon ist sie wieder aus dem Blickfeld verschwunden. Das klingelnde, klimpernde Geräusch entfernt sich wieder. Aber: Es dauert nur Sekunden, da nähert es sich erneut.
„Es muss möglich sein, Leute mit Hund zu finden und zu motivieren, Menschen zu helfen.“
Fachdienstleiterin Martina Hackl
Kira läuft einen Bogen aus und kommt von der anderen Seite heran. Unter den tiefhängenden, abgestorbenen Fichtenzweigen schlüpft sie zielsicher herbei. Sie hat die Versteckperson gefunden.
Rebecca Preißer, die heute zum ersten Mal an einem Training der BRK-Rettungshundestaffel Cham teilnimmt und in dem Waldstück bei Dalking das „Opfer“ mimt, bleibt still auf der grauen Matte sitzen. Die Hündin schnuppert, setzt sich ab, ohne Rebecca zu berühren – und beginnt zu bellen. So lange, bis ihre Führerin Mariele Hackl da ist. Kira wird mit Streicheleinheiten und Fleischwurst-Stückchen für ihre Leistung belohnt.
Zehn Jahre ist sie alt – und auch nach acht Jahren hat der Münsterländer-Mix immer noch jede Menge Spaß an der Arbeit als Rettungshund. „Kira weiß einfach, was sie tun muss“, sagt Martina Hackl, die Schwägerin von Mariele. Seit Januar ist die 57-Jährige dabei, als Fachdienstleiterin die BRK-Rettungshundestaffel beim Kreisverband Cham zu neuem Leben zu erwecken.
Vor rund sechs Jahren hatte sich die Gruppe aufgelöst – Martina Hackl und ihre Schwägerin hatten sich der Rettungshundestaffel Regensburg angeschlossen. Bis sie sich vor einiger Zeit dazu entschieden, den Neuanfang „zu Hause“ zu wagen.
Seit 20. Februar wird – so wie an diesem Abend in Dalking – wieder fleißig im Landkreis trainiert. „Wir wollen durchstarten“, sagt Martina Hackl. Kira, die aktuell der einzige geprüfte Rettungshund aus Cham ist, der in den Einsatz geht und zur Vermisstensuche angefordert wird, soll nicht alleine bleiben.
Mit Rudi Amberger und seiner Daya (eine zwei Jahre alte Labrador-Hündin) sowie Maria Kreuzer (ihr Magyar Vizsla Mia ist 18 Wochen alt) sind vor kurzem zwei Mitglieder dazugestoßen, deren Tiere sehr gute Ansätze zeigen.
„Die Gruppe soll weiter wachsen“, sagt Martina Hackl, die vor wenigen Tagen ihren Gruppenführer Rettungshundearbeit absolviert hat. Die Dalkingerin baut darauf, dass es bei der Fülle an rührigen Vereinen und Hundeschulen in der Region „möglich sein muss, Leute mit Hund zu finden und zu motivieren, Menschen zu helfen“.
Welche Hunde für den besonderen Dienst in Frage kommen? Laut Hackl eignen sich alle mittelgroßen Rassen für die Flächensuche, die das Hauptaufgabengebiet der Staffel ist. Große Hütehunde sind zu schwer und können nicht so ausdauernd laufen wie etwa Kira. Vom Schäferhund bis zum Mischling ist ansonsten alles denkbar.
„Im Moment liegen der Golden Retriever und der Labrador auf der Beliebtheitsskala bei den Staffeln weit oben“, sagt die 57-Jährige. Sie selbst nimmt ihren Magyar Vizsla zwar noch mit zum Training. Aber für den Einsatz ist ihre Romy inzwischen zu alt.
So gibt Hackl ihr Wissen und ihre Erfahrung ruhig und überlegt an die Neulinge weiter – und verblüfft Außenstehende im Wald bei Dalking, als sie vor der nächsten Übungsrunde, diesmal ist Daya an der Reihe und Maria Kreuzer versteckt sich, mit kräftigem Schütteln Babypuder in der Luft verteilt.
„Ich muss entscheiden, wie ich meinen Hund schicke, damit er am besten zum Ziel kommt“, erklärt sie. Das Puder dient dem Hundeführer zur „Witterung“: Sprich, er prüft damit – je nach Gelände – die Wind- und Wetterlage, ehe er seinen Hund lossprengt.
Die Kommunikation läuft vor allem über Körpersprache. Während der Vierbeiner das Areal durchstreift – 20 Minuten braucht ein Tier für eine 30 000 Quadratmeter große Fläche, ein schneller Rettungshund schafft noch mehr –, dienen ihm Herrchen oder Frauchen als ständige Orientierung. Der Hundeführer, der imstande sein muss, Karten und Kompass zu lesen, geht am Rand der Parzelle entlang und begleitet „das Geschehen“ von dort aus.
„Ich muss am Schluss entscheiden, ob mein Hund im Suchgebiet alles erfasst hat.“
Fachdienstleiterin Martina Hackl
„Ich muss am Schluss entscheiden, ob mein Hund im Suchgebiet alles erfasst hat“, erläutert Hackl. Alles Weitere „erledigt“ der treue Begleiter mit der Supernase. Der Hund sucht die Umgebung selbstständig nach jeder Form von menschlichem Geruch ab. Will heißen: Er spürt keinem Individualgeruch nach, sondern jeder Quelle menschlichen Dufts.
Trainiert wird ausschließlich über positive Verstärkung – über Spielzeuge oder Leckerli. Ist der Vierbeiner fündig geworden, zeigt er das, wie Kira es gelernt hat, übers „Verbellen“ an – oder wie Daya als „Freiverweiser“. Sie pendelt permanent zwischen ihrem Herrchen und der Stelle hin und her, an der die Person sitzt oder liegt, und zeigt ihm so den Weg.
Der führt nicht immer zum Ziel – ganz im Gegenteil. Die Flächen, die Hackl und ihre Kollegen anderer Staffeln, mit denen es Kooperationen gibt (etwa aus Straubing-Bogen oder Regensburg), abzusuchen haben, sind riesig – je nach Vermisstenfall. Am schwierigsten ist es, überhaupt eine Spur auf den Gesuchten zu erhalten und beispielsweise über die Befragung von Angehörigen herauszufinden, wo er üblicherweise spazieren geht oder wo er sich in seiner Freizeit gerne in der Natur aufhält.
Oft kommen die Suchhunde begleitend zu anderen „Hilfsmitteln“ wie Suchketten der Feuerwehr, Drohnen oder Hubschraubern mit Wärmebildkameras zum Einsatz. Vor allem im Wald sind der Technik immer wieder Grenzen gesetzt, weshalb die Hundeführer auf Anforderung der Polizei und der Leitstelle in den meisten Fällen auf Terrain ausschwärmen, das dicht von Bäumen bestanden ist.
Die Bandbreite der Vermisstenfälle reicht vom Schwammerlsucher, der am nächsten Morgen nicht zum Frühstück kommt, bis hin zu Menschen, die angekündigt haben, sich etwas antun zu wollen. „Wenn du jemanden einigermaßen wohlbehalten auffindest, ist das schon ein tolles Gefühl“, sagt Hackl. Hinter ihrem Rücken bimmelt es unaufhörlich im Wald, als Kira nach einer verdienten Pause auf ihrer nächsten Übungsrunde durchs Gestrüpp flitzt…
„Bei Regen oder minus 15 Grad draußen zu sein – das darf dir nichts ausmachen.“
Fachdienstleiterin Martina Hackl
Hintergrund: Das sind die Trainingszeiten