Am Ende des Lebens sind es die kleinen Momente, die ganz groß werden
Nicole und Thomas Aumer aus Cham bleibt nicht mehr viel Zeit. Die 52-Jährige hat einen Gehirntumor, der ihr Schicksal vorbestimmt hat. Doch das Paar steckt nicht auf und genießt die letzten Momente der Zweisamkeit in vollen Zügen. Vergangene Woche erfüllte das BRK Cham den Untertraubenbachern mit seinem Herzenswunsch-Hospizmobil den Traum, noch einmal in den Urlaub zu fahren – ins Wellness- und Musikhotel Tonihof von Michael Probst in Langdorf.
Von Frank Betthausen
Cham. Nicole und Thomas Aumer wissen nicht, wie viel Zeit ihnen noch bleibt. Sie wissen nur, dass sie bald Abschied voneinander nehmen müssen. Ende Dezember eröffneten die Ärzte in Regensburg der schwer an Krebs erkrankten 52-Jährigen und ihrem Mann, dass alle Therapie-Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Obwohl die Chamerin mehr und mehr die Kräfte verlassen und sie durch ihren Gehirntumor nicht mehr sprechen kann, steckt das Ehepaar nicht auf.
„Was ich hier im Hotel und rund um die Fahrt erleben durfte, ist unglaublich.“ Thomas Aumer
Vergangene Woche erfüllte das BRK Cham den Untertraubenbachern mit seinem Herzenswunsch-Hospizmobil den Traum, noch einmal in den Urlaub zu fahren – ins Wellness- und Musikhotel Tonihof von Michael Probst in Langdorf.
Unsere Mitarbeiter brachten Nicole Aumer, die seit Mai 2021 auf den Rollstuhl angewiesen ist, am Sonntag in den Landkreis Regen und holten sie dort am Freitagmittag wieder ab. Notfallsanitäter Joseph Kraus und Rettungssanitäterin Marianne Simon hatten sich bereiterklärt, die Rückfahrt zu übernehmen. Bei der Hinreise waren die Rettungssanitäter Thomas Rackl und Lukas Fischer an Aumers Seite gewesen.
Mit dem Tonihof verbindet das kinderlose Paar viele schöne Erinnerungen: Nicole und Thomas feierten ihre Geburtstage dort – und vor zwei Jahren auch Silvester. Der Aufenthalt in der Vier-Sterne-Unterkunft war ihr fünfter.
„Was ich hier im Hotel und rund um die Fahrt erleben durfte, ist unglaublich“, sagt der Chamer. „Ich hatte ständig Gänsehaut.“ Das Sanitätshaus Zimmermann stellte für den Urlaub unentgeltlich ein Pflegebett zur Verfügung und kam auch für die Anlieferung auf.
Der ambulante Palliativ-Versorgungsdienst Palliamo übernahm die Miete für den Transporter, den die Aumers brauchten, um den Multifunktionsrollstuhl und den Patientenlifter von zu Hause mitnehmen zu können.
Und auch Probsts Mitarbeiter taten alles, was in ihrer Macht stand, um ihre Gäste zu unterstützen – und wenn es nur darum ging, Nicole Aumer das Essen aufs Zimmer zu bringen, wenn sie zu schwach war, ins Restaurant zu kommen. „Die sind Wahnsinn da – die Leute“, sagt ihr Mann.
Besondere Momente bescherten ihnen die Angestellten im Wellnessbereich. Als das Paar in den Pool wollte und der 53-Jährige auf jemanden angewiesen war, der seine Frau mit ihm über einen Tragegurt aus dem Rollstuhl ins Wasser hebt, schickte ihm der Hotel-Inhaber kurzerhand seinen Chefkoch.
„Ich habe das erst für einen Scherz gehalten, als er mir das angekündigt hat“, erzählt Aumer, der für seine Frau und den Pool-Nachmittag eine Schwimmweste der Wasserwacht erhalten hatte. Doch Probst bekräftigt: „Da überlegen wir gar nicht lange. Wenn wir so etwas erfüllen können, machen wir das immer irgendwie möglich.“
Seit 2020 ist Thomas Aumer, den in Langdorf auch die Offenheit und das Mitgefühl der anderen Gäste sehr beeindruckten, mehr oder weniger immer an der Seite seiner Frau. Seinen Job als Fernfahrer hat er aufgegeben, um sie versorgen zu können. Seit 1. März ist er offiziell in Pflegezeit. „Ich habe das Glück, dass ich sie begleiten darf“, sagt der 53-Jährige, der lange die Hoffnung hatte, „dass alles wieder gut wird“.
2015 hatte Nicole Aumer die Diagnose Brustkrebs erhalten. Sie kämpfte sich durch diese schwere Zeit – musste aber miterleben, wie der Krebs im Spätsommer 2019 zurückkehrte… „Meine Frau war Krankenschwester bei Sana. Sie weiß um ihre Situation – sie ist ihr voll bewusst“, erzählt ihr Mann.
„Meine Frau war Krankenschwester bei Sana. Sie weiß um ihre Situation – sie ist ihr voll bewusst.“ Thomas Aumer
Aumer geht bewundernswert offen und ruhig mit allen Belastungen um und bereichert der 52-Jährigen mit vielen Kleinigkeiten die letzten Wochen ihres Lebens. Im Wohnzimmer in Untertraubenbach brachte er beispielsweise über ihrem Pflegebett Fotos aus unbeschwerten Urlaubstagen an der Decke an.
Woher er die Kraft nimmt? „Keine Ahnung – das weiß ich nicht“, sagt er. „Vielleicht liegt es daran, dass ich angefangen habe, meinen Frieden mit den Dingen zu machen.“ Wie es werde und sich anfühle, wenn seine Frau nicht mehr da sei, wisse er heute noch nicht.
Was er wusste: Dass er sich noch einmal mit ihr verloben wollte. Am Heiligen Abend fragte Thomas Aumer sie, ob sie ihn noch einmal heiraten wolle…
Als er in der vergangenen Woche erlebte, wie gut seiner Frau und ihm die Zeit im Tonihof tat, fasste er einen weiteren spontanen Entschluss. Er buchte bei Michael Probst noch einmal eine Woche Urlaub. Nicht zuletzt, weil an diesem Montag der 24. Hochzeitstag der beiden anstand...
Am Sonntag kehrte das Paar nach einem kurzen Aufenthalt in den eigenen vier Wänden in Cham nach Langdorf zurück.
In Absprache mit stellvertretendem BRK-Rettungsdienstleiter Tobias Muhr reiste Nicole Aumer ein weiteres Mal mit dem Herzenswunsch-Hospizmobil an.
So freuen sich die beiden kurzfristig und ohne große Vorplanung über ihren sechsten Urlaub bei Michael Probst und seiner Familie – und darüber, dass der Hotelier diesmal den Kosten-Anteil von Nicole Aumer übernimmt. „Was ich hier erlebe, macht mich oft einfach nur sprachlos“, sagt er.
Nach ihrer Rückkehr wollen sie in Untertraubenbach ihr Eheversprechen erneuern. Aumers Trauzeuge Matthias Meckel – er wirkt heute als Kaplan in Bad Kötzting – wird für das Paar eine Segensfeier abhalten.
Nicole und Thomas Aumer wissen nicht, wieviel Zeit ihnen noch bleibt – nur, dass sie bald voneinander Abschied nehmen müssen. Bis dahin kosten sie jede Sekunde in enger Verbundenheit aus…