Daumen nach oben für eine Ausbildung in der Pflege

Vorurteile über den Pflegeberuf gibt es zur Genüge. Zwei BRK-Kolleginnen aus Stamsried und Waldmünchen treten an, sie zu entkräften. Zum Internationalen Tag der Pflege an diesem Mittwoch (12. Mai) wirbt Ausbildungsbeauftragte Alexandra Dostal für das neue Berufsbild "Pflegefachmann/Pflegefachfrau". Corona hat ihr fast alle Möglichkeiten genommen, mit jungen Leuten in Kontakt zu kommen - und so spürt der Kreisverband eine erste "Delle" an der Bewerberfront.

Von Frank Betthausen

Cham. Alexandra Dostal weiß, wie unfassbar wichtig und zukunftsträchtig diese Tätigkeit ist. Aber sie kennt auch die Vorurteile zur Genüge. Nach fünf Jahren Burnout! Kein freies Wochenende! Miese Bezahlung! Dauerstress! Der Pflegeberuf hatte und hat – befeuert durch viele schwarze Schafe in der Branche – sowieso schon kein gutes Image, wie die Ausbildungsbeauftragte beim BRK-Kreisverband aufzeigt. Und dann kam auch noch die Pandemie…

Beide Daumen nach oben! Als Spätberufene hat Anita Spörer-Eberhardt aus Stamsried auf der BRK-Pflegestation in Roding ihren Traumberuf gefunden.

„Durch all diese Geschichten kommt die Pflege nicht aus dem Sumpf raus.“ BRK-Ausbildungsbeauftragte Alexandra Dostal

Sie bescherte der Pflege zwar kurzzeitig gut gemeinten Applaus, aber auch viele Negativ-Schlagzeilen über schwere Virus-Ausbrüche in Altenheimen und Mitarbeiter, die jeden Tag an der Belastungsgrenze schuften…

„Durch all diese Geschichten kommt die Pflege nicht aus dem Sumpf raus“, äußert Dostal zum Internationalen Tag der Pflege, der jährlich am 12. Mai begangen wird, ihr Bedauern. Nicht zuletzt darüber, dass in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem die neue, attraktive generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau immer noch unter den Tisch fällt. Sie war 2020 ins Leben gerufen worden und ersetzt die Berufsbezeichnungen Altenpfleger/Altenpflegerin, Krankenschwester/-pfleger und Kinderkrankenschwester/-pfleger.

Die neuesten Zahlen belegen die verschärften Probleme, mit denen es die Sozialverbände nach bald eineinhalb Jahren im Corona-Modus zu tun bekommen. „Wir haben aktuell beim BRK-Kreisverband drei Auszubildende für die Generalistik und vier für die einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer für September. Normalerweise ist es mehr als die doppelte Anzahl“, verdeutlicht Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner die Lage. Momentan sei das noch eine Delle, die sich wieder bereinigen werde. „Aber die Dellen sollten kein Trend werden“, warnt er.

Seiner Kollegin Alexandra Dostal tut am allermeisten weh, dass sie seit Beginn der Pandemie mit so gut wie keinem Jugendlichen mehr unter vier Augen ins Gespräch kommen konnte. Die Abendveranstaltungen an den Schulen, Messebesuche, die Berufsfindungswochen beim Kolping-Bildungswerk, „Ehrenamt macht Schule“: alles gestrichen! „Es kommen auch keine Praktikanten mehr, berichtet Dostal. „Zuerst durften sie nicht rein und jetzt fragt schon gar keiner mehr an.“

Tanja Opitz geht im Kontakt zu den Heimbewohnern in Waldmünchen voll auf. „Man lernt total viel von ihnen fürs Leben. Es ist wahnsinnig interessant, was die Menschen erzählen“, meint sie.

Bitter! Denn: All das waren Gelegenheiten, bei denen sie mit jungen Menschen und deren Eltern in Kontakt kam und die gängigen Vorurteile über den Pflegeberuf aus der Welt schaffen konnte. Mehr als einmal ist es Dostal beispielsweise bei den Kolping-Info-Tagen gelungen, Interessentinnen, die Erzieherin werden oder eine andere Berufsrichtung einschlagen wollten, zu „ködern“. Mit dem Ergebnis, dass die Damen sich nach einem Praktikum für eine Ausbildung beim BRK entschieden. „Das geht alles nur, indem ich Interesse wecke und den Stachel setze“, umschreibt es Dostal. Doch im Augenblick gelinge es nicht, „das positive Klima, das wir beim BRK haben, nach draußen zu tragen“.

Zu diesem „positiven Klima“ gehören für sie nicht nur ein festes Ausbildungskonzept, ein Tarifvertrag, Azubi-Tage mit geselligem Beisammensein und die 15 geschulten Praxisanleiter in den Landkreis-Einrichtungen, sondern in besonderer Weise das völlig veränderte Berufsbild in der Generalistik. 2020 waren in der Ausbildung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau mit Kinder-, Alten- sowie Krankenpfleger drei Berufsbilder vereint worden. Über drei Jahre hinweg lernen die Azubis seitdem auf den Feldern der stationären und der ambulanten Pflege sowie im Krankenhaus.

Natürlich zählt nach dem Berufsabschluss in den Altenhilfe-Einrichtungen des BRK auch die klassische Pflegetätigkeit zu den Aufgaben. „Aber hier liegt beim Pflegefachmann/bei der Pflegefachfrau gar nicht mehr unbedingt das Hauptaugenmerk“, erläutert Dostal. Zur Büroarbeit kommen vielmehr die Dokumentation von Pflegeprozessen oder die eigenverantwortliche Medikation, also die Gabe von Medikamenten, wenn ein Arzt gerade nicht greifbar ist.

„Das ist eine Ausbildung mit viel Fachwissen und großer Selbstständigkeit, bei der in der Gesellschaft nicht gesehen wird, welche Wertigkeit und welcher Inhalt dahinterliegen“, sagt Dostal, die gelernte Krankenschwester ist, 1998 zum BRK kam und als Pflegedienstleiterin im Senioren-Wohn- und Pflegeheim in Waldmünchen arbeitet.

Das neue Berufsbild, meint auch Manfred Aschenbrenner, sei noch nicht in der Gesellschaft und den Köpfen verankert. „Daran müssen wir arbeiten. Die Menschen trennen immer noch zu sehr zwischen der Krankenpflege im Krankenhaus und der Altenpflege im Heim – dabei lernen die Azubis dort jeweils das Gleiche“, sagt er.

Die Ausbildung könne wohnortnah gemacht werden und sei überall dort möglich, wo es ein Pflegeheim oder einen ambulanten Dienst gebe, fügt Alexandra Dostal hinzu – und verweist auf ein Netto-Einkommen von 1800 bis 1900 Euro nach der Lehrzeit, das auch viele Mütter und Väter staunen lässt.

In ihrem Elternhaus, ihrer Familie und bei Freunden erlebt Tanja Opitz viel Rückhalt für ihre Entscheidung, in die Pflege zu gehen. „Wir sind stolz auf Dich. Das ist wichtig, was Du machst“: Diesen Satz hört die 18-Jährige aus Waldmünchen, die im ersten Ausbildungsjahr zur Pflegefachfrau steht und im BRK-Heim in ihrer Heimatstadt tätig ist, immer wieder. Natürlich: Vorurteilen und Aussagen wie „Ich könnte das nie!“ begegnet auch die junge Frau. Doch sobald sie erklärt, was sie genau macht und was die Ausbildung bedeutet, werden die meisten ganz still.

„Viele unterschätzen total, was wir machen“, berichtet sie – und sieht vieles sehr pragmatisch. Natürlich sei es kein leichter Job – manche Tage seien ruhig, manche stressig. „Aber ich denke mir: Wenn man in einen solchen Beruf geht, muss man sich einfach von Anfang an darauf einstellen, dass man auch einmal sieben Tage oder am Wochenende arbeitet“, sagt sie. „Dafür habe ich ja auch wieder meine freien Tage.“

Und: Auch in anderen Berufen gehe es um 5 Uhr in der Früh los. „Da muss man sich einfach dran gewöhnen, dann funktioniert das“, sagt Opitz, die ursprünglich eine Lehre als Kfz-Mechatronikerin begonnen, sich aus persönlichen Gründen aber umorientiert hatte.

Mehr als einmal ist es Alexandra Dostal, der BRK-Ausbildungsbeauftragten, bei den Kolping-Info-Tagen gelungen, Interessentinnen, die eine andere Berufsrichtung einschlagen wollten, für eine Ausbildung in der Pflege zu begeistern - beispielsweise Marie Zigan aus Waldmünchen (unser Foto). Die junge Frau stand Anfang des Jahres für eine regionale Impf-Kampagne des Roten Kreuzes Modell.

„Viele unterschätzen total, was wir machen.“ Auszubildende Tanja Opitz

Ihr Interesse am Pflegeberuf weckte ein persönliches Schicksal in der Familie. Als ihre Oma vor zwei Jahren schwer krank und zu Hause gepflegt wurde, machte sich Opitz bewusst, „was man in diesem Beruf möglich machen kann“. Menschen die letzten Jahre oder Monate ihres Lebens so schön wie möglich zu gestalten – das war auf einmal ihre Richtschnur.

Der Arbeitsalltag lebt für die 18-Jährige von der persönlichen Bindung zu den Bewohnern, von der Freude, ihnen helfen und sich mit den Senioren unterhalten zu können. „Man lernt total viel von ihnen fürs Leben. Es ist wahnsinnig interessant, was sie erzählen“, meint die Waldmünchnerin. Am meisten Kraft und Anerkennung zieht sie aus der Dankbarkeit, die sie erfährt. „Und wenn es nur ein Schnipsel Papier ist – mit einem einzigen Wort drauf.“

Anita Spörer-Eberhardt aus Stamsried schlägt in die gleiche Kerbe. „Es ist ein wunderbares Gefühl, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern“, sagt sie. Die Arbeit – die 43-Jährige absolviert an der Altenpflegeschule in Bad Kötzting und auf der BRK-Pflegestation am Rodinger Krankenhaus die seltene vierjährige Teilzeitausbildung – gebe ihr ganz viel zurück. Ja, sie ziehe Kraft und Stärke auch für ihr Leben daraus. „Ich bin mit ganzem Herzen dabei“, meint die Mutter dreier Kinder.

Die vierjährige Teilzeitausbildung, die Anita Spörer-Eberhardt aus Stamsried auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding absolviert, ist ausgesprochen selten. „Die Teilzeitausbildung gab es an der Altenpflegeschule überhaupt erst dreimal“, erklärt Alexandra Dostal, Ausbildungsbeauftragte des BRK.

Dass sie an dem Platz sei, an den sie immer gewollt habe – diese Aussage wiegt umso schwerer, als sie ursprünglich Bäckerin gelernt hatte. Später gründete sie eine Familie, schnupperte zwischendurch bei einem anderen Arbeitgeber als Pflegehelferin in ihre heutige Branche hinein und stieß durch Zufall auf die Teilzeit-Ausbildung und zum BRK. Ein Glücksfall für sie! Wegen ihrer Kinder wäre eine Ganztagsausbildung – „Oma und Opa unterstützen mich tatkräftig“ – für sie nicht machbar gewesen.

Wie ihre deutlich jüngere Kollegin Tanja Opitz ist auch die Stamsriederin nach Kräften bemüht, Vorurteile aus der Welt zu schaffen, denen sie begegnet. So mancher reduziert den Pflegeberuf nach ihren Erfahrungen aufs Waschen oder „Popo ausputzen“.

Dabei sei das so viel mehr. Es gehe um Fachwissen – und nicht zuletzt darum, die Gesundheit von Menschen zu erhalten und zu fördern. Anspruchsvoll sei die Ausbildung definitiv, meint Spörer-Eberhardt, die im zweiten Lehrjahr steckt und 2023 fertig wird. „Man muss schon lernen – klar! Aber das ist zu schaffen, wenn man es gerne macht.“

Wobei… Gerne ist in ihrem Fall fast untertrieben. „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, sagt sie.

 

Hintergrund und Geschichte

  • Siechhäuser: Das bis heute wenig überzeugende Image des Pflegeberufs geht für Alexandra Dostal, Ausbildungsbeauftragte beim BRK-Kreisverband Cham, neben der fehlenden Lobby auch auf geschichtliche Gründe zurück. „Pflege – das war früher ein Ehrenamt von Klosterschwestern in den Siechhäusern“, zeigt sie auf. Die Nonnen bekamen kein Geld und waren es gewohnt, zwölf bis 16 Stunden für die Menschen da zu sein, die ihnen anvertraut waren.
  • Gesamtzahl: Nach den Worten von Alexandra Dostal absolvieren beim BRK-Kreisverband (inklusive der beiden Heime des BRK-Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz in Wilting und Zandt) aktuell 41 Berufsanfänger oder Menschen, die sich neu orientieren, eine Pflegeausbildung. 32 von ihnen meistern drei Jahre lang entweder noch die alte, auslaufende Ausbildung zum Altenpfleger/zur Altenpflegerin oder schon die neue generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau. Neun BRK-Kräfte „bauen“ ein Jahr lang ihren Pflegehelfer/ihre Pflegehelferin.
  • Anforderungen: Während für die Qualifikation des Pflegefachmanns – der Blockunterricht findet an der Berufsfachschule für Pflege und Altenpflegehilfe in Bad Kötzting statt – ein Realschulabschluss oder eine Berufsausbildung zu den Anforderungen zählen, wird für den Pflegehelfer ein Mittelschulabschluss zugrunde gelegt. Auch dieses „Einjährige“, wie es gerne genannt wird, gilt als Berufsausbildung. Für viele Bewerber ist es das Sprungbrett in die anschließende dreijährige Laufbahn.
  • Teilzeit: Ausgesprochen selten ist die vierjährige Teilzeitausbildung, die Anita Spörer-Eberhardt aus Stamsried auf der BRK-Pflegestation am Krankenhaus in Roding absolviert. Die Variante läuft wegen der neuen Generalistik aus – genauso wie die frühere Altenpfleger-Ausbildung. „Die Teilzeitausbildung gab es an der Altenpflegeschule überhaupt erst dreimal“, erklärt Alexandra Dostal.