Franz Löffler: „Das Rote Kreuz ist gelebte Eigenverantwortung”

Mit einem Festabend, einem Gottesdienst und einem Unterhaltungsprogramm aus Musik und Fachvorführungen hat die BRK-Bereitschaft Waldmünchen am Wochenende ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Für den Landrat, der sich früher selbst im Roten Kreuz engagierte, waren die Momente als Festredner sehr persönliche. „Wenn du über viele Jahre mit dabei warst, geht das schon ein wenig unter die Haut“, bekannte er. BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner bescheinigte den Aktiven „eine außergewöhnliche Gemeinschaftsleistung“ – über ein Jahrhundert hinweg. „In dieser Stadt hat Helfen Tradition. Ihr habt ein Stück Zeit- und Sozialgeschichte mitgeschrieben“, sagte er.

Von Frank Betthausen

Waldmünchen. 100 Jahre Menschlichkeit, Zusammenhalt, Gemeinschaft und Hilfe für die Schwächsten: Mit einem Festabend, einem Gottesdienst und einem bunten Unterhaltungsprogramm aus Musik und Fachvorführungen hat die BRK-Bereitschaft Waldmünchen an ihre Gründung im September 1924 und die Einweihung des Rot-Kreuz-Hauses vor 25 Jahren erinnert. Bei der Feierstunde in der TV-Halle würdigte Festredner Franz Löffler am Samstag den Wert der freiwilligen Leistungen, die das BRK für den Staat und die Allgemeinheit erbringe. „Das Rote Kreuz ist gelebte Eigenverantwortung“, sagte der Landrat.

„Wenn du viele Menschen brauchst, die perfekt helfen können, dann bist du im Ehrenamt richtig aufgehoben.“ Landrat und Bezirkstagspräsident Franz Löffler

Bei der Nachrichtenlage am Wochenende und der in Teilen Bayerns dramatischen Hochwassersituation sei den Menschen wieder deutlich vor Augen geführt worden, was das Ehrenamt in unserem Land an Bedeutung habe.

„Wenn du große Ereignisse bewältigen willst, die mit der Natur zusammenhängen, ist das ohne Ehrenamt gar nicht denkbar und gar nicht möglich – trotz aller hauptamtlichen Aktivitäten, die wir über die Jahre Gott sei Dank aufgebaut haben. Wenn du viele Menschen brauchst, die perfekt helfen können, dann bist du im Ehrenamt richtig aufgehoben“, erklärte der Politiker. Dafür stehe die BRK-Bereitschaft Waldmünchen seit 100 Jahren.

BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner bescheinigte den Aktiven „eine außergewöhnliche Gemeinschaftsleistung“ – über ein Jahrhundert hinweg. „Ja, in dieser Stadt Waldmünchen hat Helfen Tradition. Ihr habt ein Stück Zeit- und Sozialgeschichte mitgeschrieben und könnt stolz darauf sein“, sagte der langjährige BRK-Präsident.

Was Zivilisation bedeutet

Für Franz Löffler, der sich früher selbst im BRK engagierte, war die Festrede am Samstagabend eine persönliche Angelegenheit. „Wenn du über viele Jahre mit dabei warst und einen Teil dieser 100 Jahre ganz bewusst miterlebt hast, geht das schon ein wenig unter die Haut“, bekannte er. Auch als Bürgermeister und Landrat habe er das Wirken des Roten Kreuzes sehr intensiv begleiten dürfen.

Das 100-jährige Bestehen der Waldmünchner Bereitschaft nahm er zum Anlass, sich mit der Frage zu beschäftigen, was Zivilisation bedeute. „Zivilisation“, meinte er und widersprach in diesem Punkt der Definition bei Wikipedia, „wird nicht nur durch Politik und Wirtschaft geschaffen, sondern vor allen Dingen durch Menschen, die aktiv sind wie Sie. Sonst wäre die Zivilisation überhaupt nicht denkbar“.

Der Landrat erinnerte in diesem Zusammenhang an den Gründervater des Roten Kreuzes, Henry Dunant, an dessen Eindrücke nach der verheerenden Schlacht von Solferino und die bekannten Worte des Schweizers: „Zivilisation bedeutet, sich gegenseitig zu helfen, von Mensch zu Mensch – von Nation zu Nation“.

Wie schnell Krieg und Leid wieder Realität werden könnten, das zeigten die Geschehnisse in der Ukraine oder im Nahen Osten, spannte Löffler einen Bogen in die Gegenwart. Dabei fand er deutliche Worte: „Zivilisten, die als Schutzschild dienen, Krankenhäuser als Verstecke von Terroristen: Man sieht, zu welcher Barbarei der Mensch trotz aller Zivilisation fähig sein kann.“

Zivilisation sei vor diesem Hintergrund nichts von Gott Gegebenes, sondern etwas, woran man tagtäglich aufs Neue arbeiten müsse. „Das beginnt nicht etwa als Sanitäter in Kriegsgebieten. Nein! Genauso wichtig ist es, diese Grundwerte in der Gesellschaft immer wieder neu zu verankern, zu leben und anderen ein gutes Vorbild zu sein“, sagte er.

Den Gründern der Waldmünchner Sanitätskolonne, aus der sich das Rote Kreuz entwickelte, bescheinigte er „riesengroßen Mut“ und „unglaubliche Menschlichkeit“. In schweren Zeiten hätten sie damals mit einfachsten Mitteln ihre Mitmenschen in den Mittelpunkt gerückt.

Als einen der Meilensteine in der örtlichen Rot-Kreuz-Geschichte nannte das Landkreis-Oberhaupt die Eröffnung des Senioren-Wohn- und Pflegeheims 1972. Hier sei nicht nur ein Heim, sondern ein Zuhause für die Menschen geschaffen worden, betonte Löffler und baute abermals eine Brücke ins Heute.

So machte er den Fachkräftemangel in der Pflege als eine der größten Herausforderungen dieser Tage aus. „Da wird sich ganz besonders zeigen, wie ernst wir es meinen als Gesellschaft“, sagte der Landrat, der dem BRK in seiner Heimatstadt als Geburtstagsgeschenk eine Spende für das Jugendrotkreuz ankündigte.

„Ein unendlicher Wert, den wir erhalten müssen“

Theo Zellner knüpfte mit seinen Gedanken an die Impulse von Franz Löffler zum Thema Zivilisation an und rief den Festgästen die sieben Grundsätze des Roten Kreuzes in Erinnerung. Der Wichtigste sei die Menschlichkeit.

„Eine Zivilgesellschaft braucht die Humanität. Denn wenn ich mich nicht den Menschen zuwende, kann ich Humanität zwar irgendwo organisieren, aber mein Wirken bleibt am Rande stehen“, sagte der Kreisvorsitzende.

Das Rote Kreuz sei – „auch hier in Waldmünchen“ – der Gegenentwurf zur Gleichgültigkeit, zur Wegschaumentalität und zur drohenden Spaltung der Gesellschaft. Was die Rolle der Zivilgesellschaft angeht, blendete der Bad Kötztinger zurück in seine Zeit als Lehrer, der auch Sozialkunde unterrichtete.

In den Lehrbüchern habe damals das Rote Kreuz als Beispiel für den Begriff der Subsidiarität gestanden, der besagt, dass Eigenverantwortung vor staatliches Handeln gestellt wird. Tätigkeiten „von unten her aus der Bürgerschaft heraus zu entwickeln“ – für Zellner ein „unendlicher Wert, den wir erhalten müssen“.

Als Paradebeispiel dafür sah er das BRK in Waldmünchen an. Hier seien immer wieder Leistungen, die nicht von oben aufgesetzt gewesen seien, aus der Gesellschaft heraus gewachsen. Dabei sei die Hilfsorganisation stets eine tragende Säule „in diesem schwierig zu organisierenden Flächenlandkreis Cham“ gewesen. „Es ist schon immer spürbar gewesen, dass da eine Stadt und ein Rotes Kreuz sehr stark zusammenwirken“, stellte Zellner fest und nannte an dieser Stelle verdiente Rotkreuzler wie die langjährigen Bereichsvorsitzenden Hans Ertl oder Dr. Hans Mank.

„Es ist schon immer spürbar gewesen, dass da eine Stadt und ein Rotes Kreuz sehr stark zusammenwirken.“ BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner

Mit Bereitschaftsleiter Dieter Müller sowie Stephanie Haberl und Thomas Gabriel, die beide in der Jugendarbeit tätig sind, zitierte der frühere BRK-Präsident drei Aktive, die in der Woche vor dem Jubiläumsfest „geradezu programmatisch“ Dinge gesagt hätten, die für alles stünden, was das Rote Kreuz an innerem Wert ausmache. „Es ist toll, wenn es Menschen gibt, die helfen. Ich möchte einer von ihnen sein“, hatte Müller bekundet.

Sie wolle jungen Menschen Werte einpflanzen, die heute manchmal verloren gingen, hatte Haberl erklärt. Und Gabriel hatte über die Beweggründe, sich in seiner Freizeit zu engagieren, gesagt: „Ich will ja auch, dass mir geholfen wird.“

Kräftigen Applaus gab es in der TV-Halle, als Zellner verkündete, welches Geschenk das BRK Cham den Waldmünchnern zum 100-Jährigen machen werde: Der Kreisverband übernehme die Kosten aller Getränke, ließ er wissen.

„Das ist echt der Wahnsinn!“

Dieter Müller hatte nach eigenem Bekunden als Festleiter bei der Arbeit an der umfangreichen Chronik und dem Fotofundus der Bereitschaft in besonderer Weise gemerkt, was beim BRK geboten sei.

In der TV-Halle war auf Stellwänden eine Bilderschau aufgebaut – mit einigen Raritäten aus dem vergangenen Jahrtausend sowie Aufnahmen aus den zurückliegenden 20 Jahren, vom Bau des BRK-Hauses und dem 75-jährigen Jubiläum. „Wenn man die Vielzahl der Fotos durchschaut, wird einem klar, was man mit dem Roten Kreuz schon alles erlebt hat. Das ist echt der Wahnsinn!“, meinte Müller.

Gerade die letzten Wochen der Festvorbereitung hätten gezeigt, „zu welcher Leistung die Mitglieder in der Lage sind und was für eine Begeisterung möglich ist“. Müller dankte allen Helfern, die diese Feier ermöglicht hätten und rief zu einem starken Miteinander innerhalb der Gemeinschaften vor Ort auf. „Gemeinsam können wir die Herausforderungen der Zukunft schaffen“, betonte er.

Dr. Peter Hering als Bereichsvorsitzender gab nach seiner Begrüßung einen kurzen geschichtlichen Abriss – angefangen vom Aufruf zur Gründungsversammlung im Gasthaus zur Post im September 1924, über den ersten, 1939 angeschafften Sanka bis hin zum Ende 2023 wiedererweckten Jugendrotkreuz.

„In den Nachkriegsjahren waren es Persönlichkeiten wie Max Windmeißer und vor allem Hans Ertl, die mit viel persönlichem Einsatz und Hartnäckigkeit als Bereichsvorsitzende das BRK zu dem gemacht haben, was es heute darstellt“, erklärte Hering. Mit Karl Babl, Nikolaus Scherr und Andreas Gabriel erwähnte er auch drei frühere Bereitschaftsleiter namentlich. In seinem Streifzug durch die Aktivitäten der Rot-Kreuz-Familie stellte er in aller Kürze die Gemeinschaften in der Trenck-Stadt vor – die Wasserwacht als mitgliederstärkste genauso wie den Frauenarbeitskreis. Die Damen seien „unentbehrliche Mitarbeiterinnen“ – etwa bei den Blutspende-Terminen.

„Dieser ehrenamtliche, selbstlose und uneigennützige Dienst ist in unserer Zeit leider nicht mehr selbstverständlich und verdient daher höchsten Respekt sowie uneingeschränkte Wertschätzung und Anerkennung.“ 2. Bürgermeister Martin Frank

Mit Blick auf den Rettungsdienst erklärte Hering: „Die Bevölkerung des Altlandkreises wird von kompetentem, sowohl im Hauptberuf als auch im Ehrenamt tätigen Fachpersonal versorgt.“ All das geschehe im Verbund mit der Rettungswache der Malteser in Rötz und „stets ausgerüstet mit modernstem Material“.

Martin Frank gratulierte den Bereitschaftsverantwortlichen als 2. Bürgermeister im Namen der Stadt. Aus einer Zeit heraus, in der Hilfe noch mit einfachsten Mitteln geleistet worden sei, habe sich das BRK „über zehn Jahrzehnte zur höchst professionell arbeitenden Rettungsorganisation entwickelt“.

Den Mitgliedern dankte er „für den herausragenden ehrenamtlichen Einsatz, den alle immer wieder aufs Neue für die Bürgerschaft erbringen“ – in beispielgebender Weise und mit einem enormen zeitlichen Aufwand.

Zuverlässiger Schutz und kompetente Hilfe

So seien für die Bevölkerung Tag und Nacht zuverlässiger Schutz und kompetente Hilfe in allen erdenklichen Notsituationen gewährleistet. „Dieser ehrenamtliche, selbstlose und uneigennützige Dienst ist in unserer Zeit leider nicht mehr selbstverständlich und verdient daher höchsten Respekt sowie uneingeschränkte Wertschätzung und Anerkennung“, betonte Frank.

Ehe sie ihre Gastgeschenke überreichten, sprachen darüber hinaus Matthias Schmidt, Vorsitzender des DRK-Ortsvereins Elz, und Markus Kröninger, Leiter der BRK-Bereitschaft Partenkirchen, Grußworte. Zu beiden Organisationen bestehen seit Jahren beste freundschaftliche Kontakte.

Schmidt, seit 2023 Bürgermeister in der Waldmünchner Partnergemeinde, hatte sich mit einer 17-köpfigen Rot-Kreuz-Delegation aus Hessen auf die Reise gemacht. In seiner Rede beschäftigte er sich mit der Frage, was den Waldmünchner Aktiven über 100 Jahre hinweg im Ehrenamt Halt gegeben habe.

„Ich glaube, es war der schlichte Wunsch, anderen Menschen zu helfen. So einfach ist das, aber auch so stark und so tragend!“, meinte er.

Markus Kröninger würdigte das Engagement und die Zuverlässigkeit der Bereitschaftsmitglieder aus der Oberpfalz beim Neujahrsspringen der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen. „Ihr unterstützt uns seit Jahren, da möchten wir einfach Vergelt´s Gott sagen“, meinte der Gast aus Oberbayern, der mit sieben seiner Mitstreiter angereist war.

„Unsere Welt braucht Menschen, die aus einem christlichen Geist leben und handeln – die einfach zupacken, helfen, heilen und die einfach da sind für die Menschen.“ Stadtpfarrer Wolfgang Häupl

Sie und alle anderen Besucher – unter ihnen viele Vertreter der großen Waldmünchner Blaulicht-Familie – ließen es sich in der von Anna-Maria Urban und ihrem Deko-Team festlich geschmückten TV-Halle bis weit in den Abend hinein gutgehen. Während Feuerwehr-Aktive für die Bewirtung sorgten, zauberte das Team der Metzgerei Ruhland ein Büfett auf die Tische.

Eine besondere Doppelrolle kam Bereitschaftsarzt Dr. Klaus Hör zu. Er führte nicht nur als Moderator durchs Programm, er begleitete auch das geladene Streichquartett – Profimusiker aus der Region – am Klavier. Die Künstler gaben zwischen den Redebeiträgen Georg Friedrich Händels Konzert für Harfe (Cembalo, Orgel) und Orchester B-Dur opus 4 Nummer 6 zum Besten.

Gottesdienst musste verlegt werden

Der Festsonntag begann nach kurzer Nacht mit einem Gottesdienst, der wegen des schlechten Wetters kurzfristig vom Trenck-Platz in die Stadtpfarrkirche St. Stephan verlegt worden war – zelebriert von Stadtpfarrer Wolfgang Häupl. Der Geistliche erinnerte an die einfachen Anfänge des BRK in Waldmünchen und daran, wie mühsam die Einsätze früher gewesen seien. Heute sehe es ganz anders aus. „Heute sind die Einsatzfahrzeuge wie rollende Kliniken“, sagte Häupl.

Aus dem Evangelium las er die Geschichte des barmherzigen Samariters, der einem Mann beisteht, der auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho ausgeraubt, fast totgeschlagen und hilflos liegengelassen wird.

„Genau das Gleiche tun auch Sie – und das schon seit 100 Jahren! Sie helfen denen, die Hilfe benötigen“, richtete der Priester Dankesworte an die Rot-Kreuz-Aktiven aus Waldmünchen, die sich im Sanitätsdienst seit Jahr und Tag bei kirchlichen und weltlichen Anlässen engagierten; bei der Pferdewallfahrt in Ast genauso wie bei den Trenck-Festspielen. „Unsere Welt braucht Menschen, die aus einem christlichen Geist leben und handeln – die einfach zupacken, helfen, heilen und die einfach da sind für die Menschen“, sagte Häupl.

Nach der Messe führte ein langer Zug zur Festhalle, wo die Blaskapelle Döfering das Mittagessen von Caterer Wolfgang Mauerer musikalisch untermalte. Nachmittags und abends standen die Handzjoses Brothers und die Musiker des Semmlknedl-Projekts auf der Bühne. Das Team von Frauenarbeitskreis-Leiterin Karin Betz gab Kaffee und Kuchen aus.

Bereitschaftsleiter Dieter Müller und seine Mannschaft konnten außerdem auf viele weitere ehrenamtliche Kräfte des BRK-Kreisverbands zählen. So schenkten Aktive der Wasserwacht Waldmünchen die Getränke aus. Mitglieder der BRK-Bereitschaft Cham 2 und der Bergwacht Furth im Wald arbeiteten im Service und bedienten an den Tischen.

Das Außenprogramm auf dem Jahnplatz konnte wegen des Dauerregens nur in abgespeckter Form stattfinden. So mussten der Aufbau der Hüpfburg und die Hubschrauber-Rundflüge kurzfristig entfallen.

Trotzdem war für die Besucher einiges geboten. Die jüngsten Gäste hatten Spaß beim Kinderschminken und konnten ihre Stofftiere in der fantasievoll gestalteten Teddyklinik des Jugendrotkreuzes versorgen lassen. Neben einer Fahrzeugschau kamen nicht zuletzt die Vorführungen der Rettungshundestaffel beim BRK-Kreisverband bestens an.